Die Stadt hat ihre Pläne für die Umgestaltung der Berrenrather Straße im Herzen von Sülz vorgelegt. Was schon im Mai beschlossen werden soll, schockiert uns: Die Planung folgt demselben Schema, nach dem schon in den letzten Jahren wichtige Straßenabschnitte ins Chaos gestürzt wurden. Wieder einmal steht das Auto im Vordergrund, Verbesserungen für Fußgänger*innen und ÖPNV gibt es kaum. Der Radverkehr wird aktiv gefährdet und die Verkehrswende ein weiteres Mal auf die lange Bank geschoben. Entsprechend sind keine positiven Klimaeffekte zu erwarten. Das Ganze für gut 10 Millionen Euro. Wir appellieren an die Bezirksvertretung Lindenthal und den Finanzausschuss: Lehnen Sie diese rückwärts gewandte, schädliche Vorlage rundweg ab!
Venloer Straße: Scheitern auf ganzer Linie
Rückblick Venloer Straße: Als diese vor 8 Jahren nach demselben Schema umgebaut wurde – einheitlich geringere Fahrbahnbreite mit aufgemalten “Schutzstreifen” für Rad Fahrende, ungebremste Priorität für KFZ – hätte man sie mit etwas gutem Willen noch als interessantes Experiment sehen können. Lässt sich der Autoverkehr zähmen, wenn man ihn zusammen mit dem steigenden Radverkehr auf eine engere Fahrbahn quetscht? Halten sich Auto- und Lieferfahrer an Ladezonen? Nehmen sie Rücksicht auf schwächere Verkehrsteilnehmer*innen? Sinkt der Stresslevel auf der Straße? Die Antwort auf all diese Fragen ist: nein. Das “Experiment ” ist auf ganzer Linie gescheitert.
“Wie eine Zeitreise ins Amerika der ’60er Jahre”
Das Chaos war von Anfang an erkennbar. Am 14.11.2012 etwa titelte der “Kölner Express”: “Umbau gefloppt? Verkehrs-Irrsinn auf der Venloer”. Der international renommierte Kopenhagener Verkehrsplaner Mikael Colville-Andersen war anlässlich der RADKOMM 2019 zu Gast in Köln. Begleitet von einem WDR-Filmteam ging es mit dem Rad vom Haupbahnhof zum RADKOMM-Büro in Ehrenfeld. Zur Venloer Straße sagte er: “Die Menschen sind nicht getrennt von den Autos… Die Autos parken auf der falschen Seite… Ich bin jetzt mitten im Verkehr! So sollte das nie sein” und: “Fußgänger und Radfahrer sind hier Menschen zweiter Klasse… Das ist wie eine Zeitreise, das ist wie Amerika in den 1960er Jahren, nicht wie in einer modernen europäischen Großstadt”.
Rückbau der Venloer – kein Umdenken bei der Berrenrather
Auch die Politik hat den Fehlschlag eingestanden: Die Venloer soll schon wieder umgestaltet werden, als Einbahnstraße, als Fahrradstraße oder gleich ganz als Fußgängerzone. Denn wenn so viele Menschen zu Fuß und mit dem Rad unterwegs sind, ist kein Platz für so viele Autos. Wir sind natürlich dafür, die Venloer Straße autofrei zu machen. Denn Ehrenfeld braucht endlich ein autofreies Zentrum!
Die Stadt Köln will davon nichts wissen. Statt dessen will man allen Ernstes und für viel Geld diese auf der Venloer Straße bereits peinlich gescheiterte Planung erneut umsetzen. Dieses Mal in der Berrenrather Straße. Das wollen wir verhindern!
Für den zukunftsorientierten Ausbau
Was wir statt dessen auf der Berrenrather Straße brauchen:
- Mehr Platz für Fußgänger*innen, für Auslagen von Geschäften, für Gastronomie und Grün
- Eine sichere, vom KfZ-Verkehr baulich getrennte Rad-Infrastruktur
- Sachgerechte Lösungen für den ÖPNV und den Lieferverkehr
- Durchfahrt und Parken für private Kraftfahrzeuge nur in stark reduzierter Form. Offenkundig ist kein Platz für zwei Fahr- und zwei Parkstreifen für den motorisierten Individualverkehr
Das ist nur mit einer völlig neuen Planung machbar.
Deshalb: In den Müll mit jahrzehntealten Plänen nach Schema F!
Quellen:
- Video: Mikael Colville-Anderson fährt durch Köln [Youtube]
- Infoseite der Stadt zur Umgestaltung der Berrenrather Straße (2014-2016)[Stadt Köln]
- Aktuelle Beschlussvorlage und Pläne der Stadt, Stand März 2020[Ratsinformationssystem]
- Express vom 14.11.2012: “Umbau gefloppt – Verkehrs-Irrsinn auf der Venloer”[Express]
- KStA am 17.5.2019: Venloer Straße versinkt im Chaos – Einbahnstraße ein sinnvoller Vorschlag[KStA]
- KStA am 19.6.2019: “Verkehrsausschuss Venloer Straße könnte Einbahnstraße werden”[KStA]
Wird Köln es dann nie lernen…? Andererseits sieht die Berrenrather Straße im Moment schlechter aus als eine Straße im östlichsten Ostrumänien, also ist fast alles eine Verbesserung…
Auch die Corona Pandemie und die Folgewirkungen sollten zwingend neu zu Gesprächen und ggf. einer neuen Planung führen
Experten warnen vor einem beschleunigten Niedergang des lokalen Einzelhandels und leeren Geschäften. Mehr Aufenthaltsquaität kann der Abwanderung der Käufer zu Amazon & Co. und damit dem Sterben kleiner Geschäfte, die Veedel erst lebenswert machen gezielt entgegenwirken.
Sehr wichtiger Punkt, Reiner Kolberg! Die meisten Ladenlokale haben gute Belüftung, und der Zugang lässt sich beschränken. Prof. Drosten sagt, dass es unter diesen Umständen keinen Grund gebe, sie geschlossen zu halten. Besser noch mit Masken für alle, natürlich. Wir müssen abwarten, was kommende Woche entschieden wird.
Wenn jedoch mehr Läden öffnen dürfen, und sich dann die Schlangen auf den Bürgersteigen nicht mehr nur vor den Lebensmittelläden bilden, werden Gehwegerweiterungen unabdingbar.
Was ist uns also wichtiger, die Läden zu erhalten und etwas risikoarme Normalität zurückzubringen – oder den Straßenraum weiter für nicht vorhandene Autos zu reservieren?
Nein, wir dürfen nicht warten, bis Dutzende Millionen für so einen Unsinn verpulvert werden. Wir müssen jetzt handeln.
Und das Konzept liegt auch auf der Hand. Die Stadt muss sich nur an ihre eigenen “Planungsprinzipien” halten. Zitat etwa aus der Präsentation der Fa. Via 2014: “Geplant wird von „außen nach innen“, d.h. zuerst werden die gebrauchten Breiten für Fußverkehr und Randnutzungen (Hauseingänge, Treppen, Briefkästen, usw,) vorgesehen.”
Daraus ergäbe sich zwingend, dass in einer Einkaufsstraße mit 19m Breite kein Platz für 4 Auto-Streifen (2mal Parken, 2mal Fahren) ist. Also wird es nicht befolgt. Statt dessen malt mein einfach ein paar Strichellinien auf die Autofahrbahn und behauptet, das sei Fahrrad-Infrastruktur.
Politisch müssen wir alle diese Vorhaben stoppen, mit Initiativen in den betroffenen Vierteln und in den Gremien.
Neusser, Berrenrather, Bonner. Alles Straßen, die in den nächsten Jahren verschlimmbessert werden. Auf der Bonner werden Radfahrende demnächst in der Dooring Zone fahren müssen und werden gleichzeitig Autofahrenden ausgesetzt sein, welche mit unter einem Meter Abstand überholen.
Man bräuchte ein Konzept, dass diese Straßen zu Einbahnstraßen werden und dafür Radwege in beiden Richtungen eingerichtet werden. Dies wird auf der Venloer ja momentan geprüft. Bis diese Prüfung fertig ist, sind die drei besagten Straßen umgebaut und die Venloer kann wieder den Anfang machen.