Ein Gastbeitrag von Dr. Thorsten Merl
Früher vs. Heute
Ich wohne in der Gellertstraße in Köln-Nippes. Das ist eine kleine Einbahnstraße die früher wie folgt aussah:
Allein die Gegenüberstellung von früher und heute zeigt, wie sich die Verteilung des Raums zugunsten von Autos verändert hat.
In dieser Einbahnstraße dürfen Autos über die gesamte Länge der Straße auf beiden Straßenseiten parken. Dabei ist es laut Beschilderung vorgesehen, dass sie hierfür mit zwei Rädern auf dem Gehweg stehen. Bereits dadurch ist der Gehweg häufig recht schmal. Zudem parken Fahrräder an den Zäunen:
Das führt wiederum dazu, dass der Gehweg nicht nur von Autos, sondern auch von Fahrrädern verkleinert wird. Insgesamt bleibt so häufig nur eine Gehwegbreite von 1,5 Metern. Immer wieder aber auch deutlich weniger als das:
Dass die geringe reale Breite der Gehwege ein Problem ist, merken nicht nur Menschen mit Kinderwagen, sondern auch Personen im Rollstuhl, die dann auf die Straße ausweichen müssen:
Eigentlich gibt es genau aus diesem Grund in Köln den Beschluss (der Stadtarbeitsgemeinschaft Behindertenpolitik), dass ein Gehweg mind. 2 Meter breit sein muss. Davon ist die Gellertstr. weit entfernt. Allein das lässt sich also schon kritisieren.
Wer ist verantwortlich?
Nun könnte man für die engen Gehwege aber die parkenden Fahrräder verantwortlich machen, weil diese im Gegensatz zu den Autos nicht auf öffentlichen, dafür vorgesehenen Parkflächen stehen und deshalb den Weg unrechtmäßig verengen. Rechtlich betrachtet ist das aktuell korrekt.
Allerdings gilt es hierbei folgendes zu beachten: In der Gellertstr. können ca. 90 Autos auf den öffentlichen Parkplätzen links und rechts der Straße parken. Entgegengesetzt gibt es in der gesamten Str. keinen einzigen öffentlichen Parkplatz für Fahrräder. Die einzigen Beschränkungen zum Parken der Autos finden sich dort, wo Einfahrten für Autos sind (Garagen oder private Parkplätze). Parken wird also nur da beschränkt, wo es den Zugang zu anderen privaten Autoparkplätzen verhindert.
Der Zugang zum eigenen Hauseingang (um im Hinterhof ein Fahrrad zu parken) muss von Autos entsprechend auch nicht freigehalten werden. Das führt dazu, dass man mit einem Fahrrad immer zu einer Garageneinfahrt vorfahren muss, um von der Straße auf den Bürgersteig wechseln zu können, und dann auf dem Bürgersteig zum eigenen Hauseingang schieben muss. Allerdings ist genau das gar nicht immer möglich, weil ein Fahrrad mit Kinderanhänger häufig zu breit ist, um überhaupt zur eigenen Hauseinfahrt zu gelangen (siehe bspw. Abb. Nr. 6). Aus diesem Grund kommt es vor, dass wir mit unserem Fahrradanhänger das Haus nicht verlassen können.
Deutlich wird:
1.) Es gibt sehr viel öffentliche Fläche für Autos und keine für Fahrräder.
2.) Das Parken von Autos wird nur dort eingeschränkt, wo es das private Parken von Autos behindert, nicht dort, wo es Einfahrten für Fahrräder (durch die Haustür in den Hinterhof) behindert.
Vor diesem Hintergrund ist es m.E. völlig unangemessen, die parkenden Fahrräder zu kritisieren. Stattdessen gilt es, die strukturelle Verteilung der öffentlichen Flächen zu kritisieren. Diese Verteilung nämlich privilegiert systematisch Autos und diskriminiert systematisch Fußverkehr, Rollstuhlfahrende und Fahrradfahrende.
Was muss sich ändern?
1.) Es braucht m.E. deutlich mehr öffentliche Fahrradparkplätze an verschiedenen Stellen der Straße, damit der Gehweg wieder frei wird.
2.) Der Parkraum muss neu gestaltet werden: Unsere Straße ist ziemlich genau 10 Meter breit. Wenn die Gehwege auf beiden Seiten 2 Meter breit sein sollen, damit sie alle Menschen nutzen können, bleiben noch 6 Meter übrig. Nun möchte die Feuerwehr, dass eine Straße mindestens 3 Meter breit ist, damit sie jederzeit durchkommt. Es bleiben also noch 3 Meter übrig für parkende Autos. Ein Auto ist zwischen 1,8 und 2,2 Meter breit. Rein mathematisch betrachtet ist also nicht genügend Platz dafür, dass auf beiden Seiten Autos parken. Wenn wir also den unterschiedlichen Vekehrsteilnehmer*innen einräumen wollen, am Verkehr teilzunehmen, dürften in der Gellertstr. Autos nur noch auf einer Seite parken ( nicht mehr auf dem Gehweg). Entweder könnte die restliche Straßenbreite dann für Fahrradparkplätze genutzt werden, oder es müssten zwischen den parkenden Autos Fahrradparkplätze etabliert werden.
Dr. Thorsten Merl publiziert unter: http://weitausmehr.de
Thorsten hat auch einen Bürger*innen-Antrag in die zuständige Bezirksvertretung Nippes eingebracht. Die Bezirksvertreter*innen haben sich die Situation vor Ort angeschaut. Voraussichtlich im November werden sie entscheiden, ob es eine Veränderung in der Gellertstraße geben soll. Am 22.10.19 hat der Kölner Stadtanzeiger online einen Artikel zum Thema verfasst (Redakteur: Bernd Schöneck). Zum Artikel gehts hier.
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