Einsturz des Stadtarchivs jährt sich zum zweiten Mal
Vor zwei Jahren, am 3. März 2009, stürzte das Kölner Stadtarchiv in der Severinstraße ein. Mitgerissen wurden weitere benachbarte Gebäude. Zwei junge Männer – Khalil (24) und Kevin (17) – verloren dabei ihr Leben. Über 30 Regalkilometer Zeugnisse Kölner und Rheinischer Geschichte stürzten mit in die Tiefe. Die Ursache ist bis heute nicht vollständig geklärt – vermutlich steht die Katastrophe im Zusammenhang mit Bauarbeiten an der geplanten U-Bahnstrecke der Nord-Süd-Stadtbahn.
Es reicht – Köln muss anders
Das Unglück in der Severinstraße war für viele Kölner Bürger ein Signal, dass es so nicht weitergehen darf. Die Initiative Köln kann auch anders führt bis heute zu recht den Archiveinsturz in ihrem Claim: “Als das Stadtarchiv einstürzte, war für uns ‘Schluss mit lustig’.” Auch die Gründerinnen und Gründer von DEINE FREUNDE nahmen die Katastrophe zum Anlass, zur Kommunalwahl 2009 anzutreten – mit Erfolg. Wir halten die gesamte U-Bahn-Erweiterung für überteuert und gänzlich unnötig.
Der Fall, die Folgen
Mitarbeiter beteiligter Unternehmen und des Historischen Archivs konnten Besucher des Historischen Archivs, Passanten, Schüler und Anwohner so frühzeitig warnen, dass sie den Gefahrenbereich verlassen konnten. Sonst hätte das Unglück noch mehr Menschen das Leben gekostet. 36 Anwohner der Nachbarhäuser verloren ihre Wohnungen. Die Betroffenen sind inzwischen mit neuem Wohnraum versorgt. Die finanziellen Entschädigungen für die unmittelbar Betroffenen durch die KVB verlaufen jedoch schleppend – nicht, dass gezahlt wird ist fraglich, sondern die Höhe der Zahlungen. Bislang wurden nur Teilentschädigungen gezahlt – unbürokratische Hilfe sieht <a href=”http://www.stadtrevue.de/index_tagestipp.php3?tippid=1106&td=2011-03-03″ target=_blank”>anders aus (siehe aktuelle StadtRevue).
Verborgenes und Geborgenes
Nach Angaben der Stadt Köln sind 90 Prozent der Bestände des Archivs geborgen, davon 35 Prozent schwerst beschädigt, 50 Prozent mit schweren und mittleren Schäden und 15 Prozent mit leichten Schäden. Etwa fünf Prozent sind derzeit noch im Grundwasser, weitere fünf Prozent sind voraussichtlich vollständig verloren. Derzeit ruht die Bergung, bis die im Grundwasser liegenden Fundamentteile entfernt werden können.
Archiv versus Paradies
Das Historische Archiv soll künftig am Eifelwall/Luxemburger Straße ein neues Zuhause finden. Weichen muss dem Neubau das “TempoRar+Räre ParaDies+Das Reich+T” von Rolf KeTaN Tepel, das seit Jahren auf dem Gelände ansässig ist. Den Planungen zufolge werden dem Archiv in Zukunft 20.000 Quadratmeter Fläche zur Verfügung stehen. In dem Komplex werden außerdem die Kunst- und Museumsbibliothek einschließlich des Rheinischen Bildarchivs untergebracht. Die Kosten des Neubaus liegen bei circa 85 Millionen Euro.
Die Ursache, die Mutmaßung, die Schuld
Der Bau eines außenliegenden sogenannten Besichtigungsbauwerks soll der Staatsanwaltschaft entscheidende Untersuchungen der Unfallstelle ermöglichen, um Aufschlüsse über die mögliche Schadensursache und die daraus resultierende Verantwortung zu gewinnen. Die Stadt Köln geht von einer Gesamtschadenssumme für die Stadt Köln von mindestens 1 Milliarde Euro aus. Nach wie vor sind die folgenden Fragen offen:
1. Was ist die Ursache für den Einsturz?
2. Hätte sich das Unglück vermeiden lassen und wenn ja, durch welche Maßnahmen?
3. Liegt ein Verstoß gegen die anerkannten Regeln der Technik vor?
Zur Sicherung ihrer finanziellen Ansprüche beabsichtigt die Stadt Köln die Einleitung eines separaten selbständigen gerichtlichen Beweisverfahrens zur Schadenshöhe gegen die mutmaßlichen Verantwortlichen – zunächst die ARGE Nord-Süd Stadtbahn Köln Los Süd mit ihren ARGE-Partnern.
Wie die Schuldfrage beantwortet wird – und wann – steht in den Sternen. Die Betroffenen warten derweil auf den Tag, “an dem das Verfahren endgültig abgeschlossen ist” (Siehe StadtRevue 03/11).
Auch in diesem Jahr lädt die Initiative Köln kann auch anders wieder zu einer Gedenkveranstaltung ein. Und zwar Weiberfastnacht 13:13 bis 13:58 Uhr am Unglücksort Waidmarkt. KKAA wirft dabei die Frage auf, was passiert wäre, wenn am 3.3.2009 Weiberfastnacht gewesen wäre …
Links zum Thema:
kasta.de: Gedenken an die Toten vom 3.3.2009
Dossier ksta.de zum Einsturz des Kölner Stadtarchivs
Süddeutsche Zeitung: Köln: Betrug beim U-Bahn-Bau – Verlassen von allen guten Meistern
Die Zeit: Pfusch beim Kölner U-Bahn-Bau noch größer als bekannt
(Quellen: Pressemitteilung der Stadt Köln vom 28.02.2011, StadtRevue 03/11, * Titel ganz frei nach Elfriede Jelinek)
Hinterlasse einen Kommentar