Dieses Interview von K2A2 mit Emanuel Florakis wurde in Auszügen unter https://www.koelnkannauchanders.de/kommunalwahl-2020 veröffentlicht.

1) In welchem Ausschuss möchten Sie mitarbeiten, und was möchten Sie dort vor allem bewirken?

(https://www.stadt-koeln.de/politik-und-verwaltung/ausschuesse-und-gremien/)

Meine Kernthemen in kürzester Form sind:

  • Köln als 15-Minuten-Stadt
  • Gemeinwohlökonomie
  • Agilisierung
  • BürgerInnenbeteiligung
  • Open-Source-Digitalisierung
  • Dezentralisierung
  • Transparenz als Wirtschaftsfaktor

Als Ausschüsse kommen dafür aktuell für mich in Frage:

  • Ausschuss Allgemeine Verwaltung und Rechtsfragen/Vergabe/Internationales
  • Ausschuss Anregungen und Beschwerden
  • Stadtentwicklungsausschuss
  • Wirtschaftsausschuss

Meine Leitidee ist dabei die #FünfZehnMinutenStadtKöln (#FZMSKöln), eine echte Smart City, in der jede BürgerIn autolos alle ihre Bedarfe und Grundbedürfnisse in einem Radius von 15 Minuten befriedigen kann. Ich beginne deshalb, soweit mir das möglich ist, von den Grundbedürfnissen ALLER KölnerInnen her zu denken. Meine anderen Kernthemen sind zwar leidenschaftlich, doch am Ende nur Mittel zum Zweck.

Muss sich nach Ihren Erfahrungen in der Wechselbeziehung zwischen dem Rat als
beschließendem Organ, der Verwaltung als ausführendem und beratenden Organ sowie der
engagierten Bürgerschaft etwas ändern? Falls ja was?

Diese drei prägenden Gruppen der Stadtgesellschaft bremsen und bekämpfen sich gegenseitig in einem solchen Ausmaß, dass der andauernde Stillstand in Köln nicht wirklich verwundert.

Was sich ändern muss?

Die Stadtgesellschaft könnte einfach einmal anfangen, wirklich gemeinsam an einem Strang zu ziehen – miteinander für die Stadt, die wir leben und lieben.

Wie das gelingen kann?

Indem die Verantwortlichkeiten auf Augenhöhe zwischen den drei Gruppen klar definiert, verteilt und erfüllt werden:

1. Der Stadtrat erkennt transparent und bestmöglich die Grundbedürfnisse und Bedarfe aller BürgerInnen und formuliert diese transparent in klare Ziele, ohne der Verwaltung in die Ausführung zu grätschen.
2. Die Verwaltung setzt die Ziele mit größtmöglicher Bürgernähe schrittweise um. Sie macht kleine Anpassungen für kleinere Probleme sowie Widerstände aus der Bürgerschaft agil und transparent selbst. Größere Widerstände zur Zielanpassung gibt sie transparent an den Stadtrat zurück. Sie vermeidet es unter allen Umständen, die Ziele nur scheinbar zu erfüllen.
3. Die Bürgerschaft interessiert sich für die Arbeit des Stadtrates und der Verwaltung und kommuniziert ihre Bedürfnisse, zur Not durch Protest, idealerweise jedoch mit deutlich schnelleren digitalen und kommunikativen Methoden. Und sie ist vor allem vermehrt motiviert, selbst anzupacken uns für eine Zeit im Stadtrat, in der Verwaltung oder im ehrenamtlichen Engagement die Stadt mitzugestalten und dort eine Zeitlang in Verantwortung zu gehen.

Wie bewerten Sie die bisherigen Ergebnisse der Verwaltungsreform im Lichte der Anforderungen und Erwartungen?

Mit großer Freude habe ich im Tranzparenzbericht gelesen, dass agile Methoden anscheinend wirklich in der Verwaltung angekommen sind. Zumindest auf Projektebene und im sogenannten ‘Mindset’.
Das ist ein erster, aber unfassbar wichtiger und richtiger Schritt, weil Agilisierung, ähnlich der Digitalisierung, wie ein Katalysator für alle anderen Verwaltungsbereiche wirkt.

Was kann die Politik Ihrer Meinung nach zum Gelingen der Verwaltungsreform beitragen?

Sie kann direkt den zweiten Schritt der Agilisierung gehen: Auf Agile Methoden folgt eine agile Hierarchiereform.
Da gibt es viele Dinge, die man recht leicht iterativ anpassen kann.
Als Beispiel sei ein Kernfaktor von Agilität genommen: Reaktionsschnelligkeit.
Ein Stadtrat, der alle 2 Monate 10 Stunden tagt und dabei 100 Beschlüsse ohne echte Diskussion durchjagt, ist alles andere als reaktionsschnell in einer Welt, die sich täglich immer schneller und heftiger dreht.
Ein Stadtrat, der jede Woche 2 Stunden tagt, um 5 Beschlüsse zu fassen oder nachzusteuern, wäre bei gleichem Aufwand deutlich schneller und könnte der Verwaltung mit agilen Zielanpassungen im Tagesgeschäft zur Seite stehen.
Wenn dann noch echte transparente Diskussionen im Stadtrat stattfinden, die Verwaltung und Bürgerschaft (im Gegensatz zu unzählig ineffizienten Hinterzimmer-Gesprächen) nachhaltig nachvollziehen könnten, dann würden wir uns alle eine unfassbare Menge Ärger und Zeit sparen.

Das ist keine Utopie, sondern Agilität, die Köln ganz weit nach vorne bringen kann.

2) In Köln sind unter Mitwirkung engagierter und sachkundiger Bürger Dokumente erarbeitet worden (oder noch im Entstehungsprozess), die Orientierungsziele für die Zukunft unserer Stadt definieren, zum Beispiel die Kölner Perspektiven 2030+ („Stadtstrategie“), die Kulturentwicklungsplanung, der Sportentwicklungsplan etc.

Welche in diesen Dokumenten festgehaltenen Ziele sind Ihnen besonders wichtig? Nennen Sie bitte auch den Ihrer Meinung nach wichtigsten konkreten Schritt zu ihrer Realisierung.

Die Perspektiven 2030+ eröffnen mir gemischte Gefühle. Sie lesen sich einerseits sehr gut, andererseits erschreckend unkonkret – vielleicht weil sie die Leitsätze nicht zwingend aufschlüsseln. Absolut zentral ist für mich das große Ziel, der Leitsatz 5: Köln wächst klimagerecht und umweltfreundlich und sorgt für gesunde Lebensverhältnisse. Denn eine Stadt, die nicht sehr bald klimagerecht ist, wird auch keine lebenswerte 15-Minuten-Stadt oder SmartCity, sondern die Hölle sein.

Der wichtigste Schritt ist leider der an sich erste und noch global ausstehende Schritt: den Fakten mit Messbarkeit ins Auge sehen. Mit Zahlen, Zahlen, Zahlen. Fragen wie folgende haben noch keine klare und verbindliche Antwort:

1. Wie werden CO₂-Emmissionen gerecht berechnet und wirksam zugewiesen?
2. Wie wird das CO₂-Budget Kölns auf die Bürgerschaft, Verwaltung und Wirtschaft runtergebrochen?

Solange es nicht messbar und verhandelbar ist, was eine Maßnahme oder eine Handlung belastbar an CO₂-Emmissionen verursacht, so lange ist jede Rede von ‘Klimagerechtigkeit’ nur Gerede.

Für welches hier nicht genannte Politikfeld sollte Ihrer Meinung nach am dringendsten eine
strategische Entwicklungsplanung (gemeinsam mit den wesentlichen Akteuren der
Stadtgesellschaft) erarbeitet werden?

Ganz klar: Einkommenspolitik.

In Köln ist Vollbeschäftigung unmöglich.
Automatisierung durch KI und Industrie 4.0 reduzieren mittelfristig und stetig das Jobangebot ohnehin.
Corona multipliziert dieses Problem aktuell massiv.
Die exponentiell sich beschleunigende Klimakrise wird das nicht besser machen.
Hier geht es um eine basale wirtschaftlich-strategische Frage. Eine strategische Antwort wäre z.B. ein bedingungsloses Grundeinkommen. Eine andere strategische Antwort wäre eine 20-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich. Beides würde den BürgerInnen synergetisch mehr Zeit und klare Gedanken für andere Ziele geben – wie etwa stadtgesellschaftliches Engagement in Köln. Eine dritte Antwort währe die Gemeinwohlökonomie.

3) Wählen Sie bitte MINDESTENS EINS und MAXIMAL DREI der folgenden Politikfelder aus, in dem Sie den dringendsten Handlungsbedarf sehen und nennen Sie, was zu tun ist

  • Wohnen
  • Verkehr(swende)
  • Schulen und Bildung
  • Daseinsvorsorge und Gesundheit
  • sozialer Zusammenhalt und Integration
  • Köln sein Umland und die Metropole Rheinland
  • Klimawandel, Klimaschutz, Klimaanpassung

Das ist eine notwendige Bedingung für ein erfolgreiches und lebenswertes Überleben von Köln als 15-Minuten-Stadt in der Klimakrise. Den ersten Schritt habe ich oben beschrieben: Die Fakten messbar ins Auge fassen.

  • Köln und seine Stadtbetriebe im Wandel
  • Köln als Kultur- oder als Eventstadt
  • Digitalisierung und Smart City Cologne
  • Wir brauchen eine zügige, vollständige, nachhaltige und sanfte #EinsZu1Digitalisierung aller unserer demokratischen und zivilgesellschaftlichen Errungenschaften und Infrastrukturen.

Mit #EinsZu1Digitalisierung meine ich das Übersetzen von bewährten analogen Strukturen und Prozessen in digitale Gegenstücke, ohne dabei das Rad oder den Prozess neu zu erfinden.

Ein Positivbeispiel an Digitalisierung ist das webbasierte digitale Elster-Formular. Das kann jede computerbesitzende Person, die eine papierbasierte Steuererklärung bereits erfolgreich bewältigt hat, umgehend ausfüllen und sich an der digitalen Leichtigkeit erfreuen. Warum? Weil der Prozess 1:1 erhalten geblieben ist, sogar visuell.

In den meisten Fällen gescheiterter Digitalisierungen wird jedoch versucht, den zweiten, also den innovativen Schritt, gleich mit dem ersten zu gehen – oder gar davor. Das nenne ich #HauRuckDigitalisierung.

Ein Negativbeispiel ist die flächendeckend gescheiterte #HauRuckDigitalisierung der Kölner Schulen in der ersten Corona-Welle.

Wie weltweit vielfach gelungen, hätte eine einfache, datenschutzkonforme und direkte Virtualisierung des Klassenzimmers mit Videokonferenzräumen gereicht, um große Teile des Stundenplanes mit den bestehenden papiergebundenen Lernmaterialien im Distanzunterricht abzudecken.

Fatalerweise wurde in vielen Schulen gleichzeitig der innovative Ad-hoc-Sprung ins eLearning mit digitalen Lernmaterialen versucht. Die Resultate kennen wir. Totalzusammenbruch des Schulsystems.

1. Schritt: Einberufen eines Digitalisierungsausschusses.

2. Schritt: Erstelle eine Liste aller fehlenden Digitalisierungen der stadtgesellschaftlichen Infrastruktur.

Zum Teil sind das ganz einfache Dinge.

Wenn jemand in Köln auf der Straße bedroht oder beleidigt wird, kann man mit 110 die Polizei herbeirufen.
Im Kölner Internet geht das nicht.

In jedem Geschäft kann ich mit staatlichen Geldscheinen auch anonym bezahlen.
Im Kölner Internet geht das nicht.

Jeder Behörde kann ich auf gleicher Weise einen vertraulichen Brief sicher in einem Briefumschlag schicken, gesichert durch das Briefgeheimnis.
Im Kölner Internet geht das nicht.

Jede/r kann jederzeit mit Stift, Papier und Unterschrift einen Vertrag besiegeln.
Im Kölner Internet geht das nicht.

Jede BürgerIn kann sich bei Bedarf gegenüber Fremden mit einem analogen Personalausweis erfolgreich ausweisen.
Im Kölner Internet geht das nicht, wir haben keine #DigitaleID.

Die Digitale ID ist ein Paradebeispiel für fehlende Digitaliserung.
Wenn man sich klar macht, dass wir BürgerInnen für ALLE behördlichen Prozesse einen Personalausweis und/oder eine Unterschrift benötigen, dann leuchtet es schnell ein: Die Digitale ID der allererste Digitalisierungsschritt der gegangen werden muss, bevor man die Verwaltung digitalisieren kann. (https://www.sueddeutsche.de/politik/estland-digitalisierung-deutschland-un-sicherheitsrat-1.4477452)

Ein Negativbeispiel ist der Anmeldeprozess zum ansonsten oben ja gelobten Elster-Formulares, der sich ggf über Wochen und mehrere Stufen erstreckt – weil sich jede digitale Plattform ihren eigenen Workaround erarbeiten muss. Mit einer Digitalen ID wären solche Anmeldungen innerhalb von 1er Minute zuverlässig machbar.

3. Schritt: Die Ziele werden nach Machbarkeit priorisiert und abgearbeitet, soweit dies kommunalpolitisch abbildbar ist.

4. Schritt: Jetzt beginnt die Kür und die innovative Digitalisierung; der Sprung in eine echte Smart & Green City (oder #SmartLivingCity) kann beginnen.

(Mir graut es ja von einer ‘Smart City’ im Sinne der ‘Smarten Funktionen’ von Apps wie Microsoft Word.)

Autor: Emanuel Florakis (für KLIMA FREUNDE)