Jahrhunderte lang gab es in Köln rund um die mittelalterliche Stadtmauer keinerlei Bebauung. Die Fläche wurde aus Verteidigungsgründen als Schussfeld frei gehalten. Erst in einiger Entfernung gab es einzelne Gehöfte oder kleine Dörfer.

Mit dem rasanten Bevölkerungswachstum und der aufkommenden Industrialisierung ab Anfang des 19. Jahrhunderts wurde es innerhalb der Stadtmauern rasch zu eng. An den alten Siedlungskernen außerhalb der Stadt entstanden oft industriell geprägte Vororte: Nippes, Sechzig, Ehrenfeld, Lindenthal, Sülz, Bayenthal, Kalk.

Nach der Niederlegung der Kölner Stadtmauer ab 1881 wurde diese Entwicklung noch beschleunigt.

Straßennetz aus Fritz Schumachers Plan für Köln 1923; rot der Gürtel

Straßennetz aus Fritz Schumachers Plan für Köln 1923; rot der Gürtel

Schon zu dieser Zeit unter Stadtbaumeister Stübben entstand die Idee, linksrheinisch die Kerne der neuen Vorstädte halbkreisförmig mit einer Straße zu verbinden. Von Mülheim/ Niehl im Norden bis Bayenthal im Süden: Der Gürtel.

In über 80 Jahren wurde diese Ringstraße schrittweise geplant und gebaut. Mit der aufkommenden Massenmotorisierung ab den 50er Jahren dann nach und nach auf 4 Fahrspuren ausgebaut. Anfang der 70er Jahre wurde die Hochbahn entlang der Gürteltrasse durch Nippes  gebaut und 1974 eingeweiht. Damit war der Gürtel erstmals, wenn auch nicht als Straße geschlossen. Brückenbauwerke für die zukünftige Gürtelstraße wurden bei der Gelegenheit direkt mitgebaut. Die Straße selber allerdings nicht, denn andere Straßenbauprojekte hatten in der Stadt eine höhere Priorität.

Mit dem Bau der Nord-Süd Fahrt, dem Ausbau der Inneren Kanalstraße und den Planungen einer parallel dazu verlaufenden Stadtautobahn entlang des Inneren Grüngürtels folgte man dem Leitbild der autogerechten Stadt. Ab Mitte der 60er Jahre wurden die Auswirkungen dieser Politik sichtbar und erste kritische Stimmen wurden laut, die  aufkommende „Unwirtlichkeit der Städte“ beklagten.

Mit der Ölkrise 1973 und der aufkommenden Umweltbewegung wurden die Stimmen lauter, die ein Ende dieser Politik forderten und statt dessen eine Förderung von ÖPNV und Radverkehr als Sozial- und Umwelt verträgliche Alternative verlangten.

 

Proteste gegen den Bau der Stadtautobahn 1977

Proteste gegen den Bau der Stadtautobahn 1977

Den Höhepunkt erreichten diese Auseinandersetzungen in Köln ab Mitte der 70er Jahre mit dem Kampf gegen den Bau der Stadtautobahn. Mit zahllosen Aktionen, Demonstrationen bis hin zu Besetzungen wurde das Projekt schließlich Anfang der 80er Jahre endgültig verhindert.

 

Kurz danach tauchte auf einmal der Gürtelschluss wieder in der politischen Diskussion auf. Politik und Verwaltung trieben die alten Planungen aus dem Jahr 1972 in leicht veränderter Form (4 statt 6 Fahrspuren) mit Engagement vor ran. Eine rasch gegründete Bürgerinitiative hatte allerdings durch eine Klage vor dem Oberverwaltungsgericht 1986 Erfolg. Das Gericht erkannte zahlreiche Formfehler im Planverfahren und stoppte den Gürtelausbau.

1987 wurde von der Stadt für 100.000 DM ein neues städtebauliches Gutachten zum Gürtel in Auftrag gegeben und 1989 vorgestellt. Das Ergebnis: Empfehlung zum Bau einer 4-spurigen Schnellstraße mit entsprechend groß dimensionierten Knoten an den kreuzenden Straßen (außer Niehler Kirchweg). Ein Planfeststellungsverfahren wurde eingeleitet und wieder gab es zahlreiche Proteste.

Ehrenfeldgürtel - Stadtteilverträglich?

Ehrenfeldgürtel – Stadtteilverträglich?

Erneut ruhten die Planungen. In regelmäßigen Abständen tauchte das Thema seit dem in der politischen Diskussion wieder auf. Durch das Erstarken der Grünen, neue Mehrheitsverhältnisse im Rat aber auch wegen fehlender Finanzierungsmöglichkeit wurde der Niehler Gürtel nie zu Ende geplant.

 

2010 beschloss der Rat der Stadt Köln mit Rot-Grüner Mehrheit die alten Planungen endgültig zu begraben. Eine neue Planung mit einer stadtteilverträglichen Straße in Form des Ehrenfeldgürtels sollte angegangen werden.

 

Hier finden Sie eine (nicht ganz vollständige) Chronologie der Ereignisse von 1967 bis 2010 des Kölner Stadtanzeigers:

 

Mai 1967 Unter dem Titel „Der Gürtel schließt sich“ berichtet der „Kölner Stadt-Anzeiger“ über den Anschluss zur Mülheimer Brücke und die Verlängerung der Trasse von der Merheimer Straße.

Juli 1973 Die ersten Stelzen für die neue Hochbahn zwischen Neuehrenfeld und der Mülheimer Brücke werden gesetzt. Die Trasse ist 5,3 Kilometer lang.

Juli 1974 Die evangelische Nathanael-Gemeinde an der Escher Straße sorgt sich um ihren Kirchturm. Sie sieht ihn hinter der Hochbahn verschwinden.

August 1974 Die Hochbahn wird bei Musik, Freibier und Würstchen in Betrieb genommen. Das Treppensystem an der Haltestelle Neusser Straße gerät sofort in die Kritik. „Warum schickt man die Leute, die von der Neusser Straße zur Hochbahn wollten, erst herunter in die U-Bahn?“, fragen sich die Bürger – und das bis heute.

Februar 1979 Die Verwaltung schätzt, dass der Ausbau zwischen Escher Straße und Mülheimer Brücke erst Mitte der 80er Jahre weitergehen wird.

März 1981 Die Fahrspuren der geplanten Gürtelstraße werden in jeder Richtung von sechs auf vier Spuren reduziert. Der Ausbau soll 1983 beginnen. Danach könnten die Kempener Straße und die Friedrich-Karl-Straße verkehrsberuhigt werden, sagt Hans Joachim Sahr, Leiter des Amts für Straßenbaus.

Oktober 1987 Die Stadt beauftragt ein privates Planungsbüro, ein städtebauliches Gutachten zu erstellen. 100 000 DM werden zur Verfügung gestellt.

September 1989 Die Stadt stellt ihre Ausbauplanung vor. Danach soll die Gürtelstraße in jeder Richtung zweispurig sein, die Fahrspuren in „Troglage“ verlaufen, nur an den großen Kreuzungen ebenerdig verlaufen. An neuralgischen Punkten wie an der Merheimer Straße soll sie „abgedeckelt“ werden, vom Nordpark bis hinter die Amsterdamer Straße dann als Hochstraße verlaufen. Geplanter Baubeginn: frühestens 1993.

März 1990 Eine Bürgerinitiative protestiert beim „Grün-Gürtel-Fest“ gegen den Ausbau. Mit dabei sind unter anderem Klaus der Geiger und die Bläsergruppe „Dicke Luft“.

Juni 1990 Die Bürgerinitiative „Stoppt den Gürtel“ legt ein Verkehrsgutachten vor, nach der lediglich vier bis fünf Prozent aller Autofahrer vom Mauenheimer Gürtel bis zur Mülheimer Brücke durchfahren.

September 1993 Alle Ausbaupläne ruhen. Die Politik stellt fest: Für den Ausbau fehlt derzeit das Geld.

April 1995 Die Verwaltung prüft, wie viele Fahrspuren der Niehler Gürtel benötigt. In der Bezirksvertretung Nippes stimmen Politiker mit Ausnahme der CDU einem Grünen-Antrag zu: So lange nicht gebaut wird, soll die Trasse unter der Hochbahn für eine Zwischennutzung wie Kleingärten freigegeben werden.

März 1996 Ein Gutachten, das die Stadt bei einem Karlsruher Ingenieurbüro in Auftrag gegeben hat, kommt zu dem Schluss: Über den Gürtel wird vor allem bezirksinterner Verkehr rollen. Das werde die Wohngebiete entlasten. Weil es an der Merheimer, an der Neusser und der Niehler Straße in kurzen Abständen große Kreuzungen geben wird, soll die Straße durchgehend vierspurig ausgebaut werden.

November 1996 Die Stadt geht davon aus, dass ein vierspuriger Ausbau die Mülheimer Brücke und den Wiener Platz nicht übermäßig belasten wird.

März 1998 Der Stadtentwicklungsausschuss beauftragt die Verwaltung, die Pläne für den Weiterbau der Verkehrstrasse weiter zu führen. Ein Ingenieurbüro soll den ersten Abschnitt zwischen der Merheimer Straße und dem Niehler Kirchweg planen. Die vierspurige Straße soll nicht beiderseits, sondern südlich der Hochbahn verlaufen. Das soll Platz sparen. Die Grünen sind gegen den Ausbau.

April 1999 Die Vorentwurfsplanung für den Ausbau von der Merheimer Straße bis zum Niehler Kirchweg liegen vor. Die Pläne für den Ausbau bis zur Mülheimer Brücke sind in Arbeit. In der Bezirksvertretung Nippes sagt Norbert Kurth, damals Leiter des Amts für Straßen und Verkehrstechnik: „Wir müssen realistisch bleiben. Vor 2002 tut sich da gar nichts.“

August 1999 Die Vorentwürfe werden vom Stadtentwicklungsausschuss gegen die Stimmen der Grünen abgesegnet. Zwei neue Haltestellen zwischen der Niehler und der Boltensternstraße soll es geben. Jetzt soll das Planfeststellungsverfahren eingeleitet werden.

Februar 2000 Das Amt für Straßen- und Verkehrstechnik ändert seine bisherige Prognose: Der Ausbau des Gürtels beginnt demnach frühestens 2003. Der neue Gürtel soll bis zur Niehler Straße ebenerdig verlaufen. Östlich davon soll er parallel zur Hochbahn verlaufen.

März 2000 Der Protest der Gürtelgegner formiert sich. Die Bürgerinitiative „Stoppt den Gürtel“ lädt zu einer Bürgerversammlung ein.

April 2002 Der Rat verdoppelt die Planungsmittel für den Ausbau zwischen der Merheimer Straße und der Mülheimer Brücke. Jetzt stehen 240 000 Euro zur Verfügung. Der Ausbau soll 2005 beginnen.

Januar 2003 Die Stadt beantragt ein formelles Planfeststellungsverfahren für den Ausbau des Mauenheimer Gürtels. Die Trasse soll 20 Millionen Euro kosten. 75 Prozent zahlt das Land. Das Lärmgutachten für die Merheimer Straße weist einen permanenten Lärmpegel von 85 Dezibel aus. Pro Tag sollen 15 000 Autos zusätzlich über den neuen Gürtel fahren. Die Bürgerinitiative „Stoppt den Ausbau“ vergleicht dieses Verkehrsaufkommen mit der Aachener Straße.

Februar 2003 CDU und Grüne, die im Stadtrat eine Koalition bilden, einigen sich, die Entscheidung über den Gürtelausbau bis zur Kommunalwahl im September 2004 einzufrieren.

April 2004 Eine Anwohner-Initiative der Merheimer Straße und der Bergstraße und der Friedrich-Karl-Straße in Niehl protestiert gegen das Aufschieben der Entscheidung.

September 2004 Vor der Kommunalwahl diskutieren die Spitzenpolitiker der Ratsfraktionen mit Bürgern im Altenberger Hof. SPD und CDU sind weiterhin für den Ausbau, die Grünen dagegen.

August 2006 Das Planfeststellungsverfahren bei der Bezirksregierung Köln läuft immer noch. SPD und CDU plädieren für einen Gürtelausbau in abgespeckter Form. Die Grünen bleiben bei ihrem Nein.

Juni 2007 Die Bezirksregierung hat das Planfeststellungsverfahren immer noch nicht abgeschlossen, will auch keinen Termin nennen. Es hätten Projekte Vorrang, an denen zeitlich gebundene Fördermittel hängen.

Januar 2009 Die FDP fordert, Mittel aus dem Konjunkturpaket der Bundesregierung für den Ausbau des Gürtels zu verwenden.

Januar 2010 SPD und Grüne schlagen in ihrem Koalitionsvertrag den Ausbau als vierspurige Stadtstraße bis zur Mülheimer Brücke nach dem Vorbild des Ehrenfeldgürtels vor. Sie wollen prüfen lassen, ob es sinnvoll ist, die sanierungsbedürftige Hochbahn abzubrechen und von Ehrenfeld bis zur Rampe an der Mülheimer Brücke ebenerdig fahren zu lassen.

Juli 2010 Der Stadtrat beschließt mit den Stimmen von SPD und Grünen, den Ausbau des Niehler Gürtels neu zu planen. Als Stadtstraße mit möglichst wenig Durchgangsverkehr, die dazu dienen soll, die „umliegenden Viertel vom Verkehr zu entlasten“.