Der Niehler Gürtel ist natürlich in aller erster Linie ein Verkehrsprojekt. Die Idee zu diesem Verkehrsweg ist, wie im Kapitel „Geschichte“ geschrieben, schon über 130 Jahre alt.

Grundsätzlich ist der Plan, die linksrheinischen Vororte mittels eines Rings miteinander zu verbinden, nicht verkehrt. Verkehr muss allerdings nicht in erster Linie aus Autoverkehr bestehen, eine Erkenntnis, die leider noch nicht in allen Köpfen von Politik und Verwaltung angekommen ist. Das Auto ist zwar noch im Straßenraum das beherrschende Verkehrsmittel (ein Ergebnis der Politik der letzten 70 Jahre), aber die Zeiten ändern sich. Peak Oil, Klimawandel und ein verändertes Bewusstsein führen zu einem Wandel im Mobilitätsverhalten.

Die KVB legt jedes Jahr bei Ihren Fahrgastzahlen zu und auch der Radverkehr steigt an den innerstädtischen Zählstellen jährlich im zweistelligen Prozentbereich. Dagegen geht der PKW-Verkehr, nach Jahrzehnten des Wachstums und einer Phase der Stagnation ab Mitte der 90er Jahre seit ein paar Jahren langsam zurück. Das beweisen auch die Verkehrszählungen auf den innerstädtischen Brücken.

Einzig auf dem Autobahnring wächst der Verkehr immer noch an, was allerdings in erster Linie an seiner Bedeutung im System der deutschen und europäischen Autobahnen liegt. Es wird wohl noch einige Zeit dauern, bis die demnächst wieder steigenden Ölpreise auch hier durch schlagen.

Unsere Betrachtung zum Verkehr auf dem Niehler Gürtel möchten wir in 4 Unterpunkten fortführen:

  1. Öffentlicher Personen Nahverkehr (ÖPNV
  2. Fahrradverkehr
  3. Fußgängerverkehr
  4. Autoverkehr

 

1.ÖPNV

Mit der Einweihung der Hochbahn und ihrem Anschluss an die Mülheimer Brücke 1974 wurde der Gürtel erstmals als Verkehrsweg geschlossen.Seit dem gibt es eine sichere und schnelle Bahnverbindung von Mülheim in die linksrheinischen Vororte. Interessanterweise endet dieser Gürtel im Süden in Sülz. Der Gürtelschluss über Zollstock, Raderberg und Bayenthal an den Rhein und die mögliche Verbindung mit den Linien 12, 16 und der neuen Linie auf der Bonner Straße wurde bis heute nicht angegangen. Eine Straßenbahn passt wohl nicht nach Marienburg…

Freiflächen unter der Hochbahn

Freiflächen unter der Hochbahn

Zurück zum Niehler Gürtel, die Ausführung der Bahn als Hochbahn hat zahlreiche Vor- und Nachteile, die in den nächsten Jahren genau gegen einander abgewogen werden sollten.Viele Betonbauten aus den 60er und 70er Jahren werden langsam marode und auch für die Hochbahn wird in einigen Jahren (Jahrzehnten?) eine Sanierung fällig sein. Das wird teuer und aufwendig, weswegen überlegt wird, die Hochbahn wieder abzureißen und ebenerdig zu führen. Eine Kostenermittlung Abriss bzw. Sanierung läuft noch.

Die Abstände zwischen den heutigen Haltestellen sind zu groß. An der Niehler Straße und an der Boltensternstraße fehlen Haltestellen. Schon 1990 hat die KVB für beide Standorte ein großes Potential von neuen Fahrgästen prognostiziert (1500 bzw. 1300 neue Passagiere/Tag). Die Zahlen dürften heute noch deutlich höher liegen. Da beide Haltestellen baulich eng mit einer evt. Gürtelstraße verbunden sind, ist bis heute leider nichts passiert. Bei einer Niederlegung der Bahn wäre der Bau der Haltestelle Niehler Straße deutlich günstiger. An der Boltensternstraße ändert sich nichts, da die Hochlage dort auf einem Damm verläuft und nicht geändert werden muss.

 

Barrierefreier Umbau 2014

Barrierefreier Umbau 2014

Die damals gebauten Haltestellen waren nicht barrierefrei ausgeführt. An der Amsterdamer Straße und der Neusser Straße wurden in den letzten Jahren erst aufwendig Aufzüge nachgerüstet. Geld, was an der Haltestelle Neusser Straße/ Gürtel im Falle einer Niederlegung verschenkt wäre.

Durch die Hochlage verteilt sich der Lärm der Bahn stärker. Verstärkt wird dies durch die höheren Fahrgeschwindigkeiten dank der kreuzungsfreien Bauweise. Gleichzeitig ist die höhere Geschwindigkeit natürlich ein großer Vorteil im Hinblick auf die Reisezeit und somit einem Vorteil der Bahn gegenüber dem PKW.

Das sehr wuchtige Betonbauwerk hat an vielen Stellen eine optisch stark trennende Wirkung, allerdings ist diese Trennung nur optisch und nicht faktisch. Sämtliche anderen Verkehrsteilnehmer können die Bahntrasse ständig und sicher kreuzen. Das gilt im besonderen für die zahlreichen Fußgänger und Radfahrer in den durchschnittenen Grünanlagen. Viele Kinder kreuzen hier auf ihren Wegen zu den um liegenden Schulen. Die trennende Wirkung und die daraus resultierende Gefahr von Gleisen (plus Straße) kann man z.B. auf dem Ehrenfeld Gürtel täglich beobachten. Immer wieder gibt es hier schwere Unfälle zwischen der Bahn und Radfahrern und Fußgängern, 2013 wieder tödlich an der Nussbaumer Straße.

Ein weitere großer Vorteil der Hochlage ist der Flächengewinn. Unter der Trasse sind Freiräume, die vielfältig genutzt werden können. Entsprechende Vorschläge wurden schon oft gemacht.

 

2.Radverkehr

Auch die Radfahrer nutzen das in Köln bestehende System von Radialstraßen und sie verbindenden Halbringen. Der Gürtel wird dabei viel befahren, obwohl er in vielen Bereichen nur unzureichend für Radfahrer ausgebaut ist und weder ein wirklich schnelles noch sicheres Vorrankommen möglich ist. Die Zahl der schweren und tödlichen Radunfälle entlang des Gürtels sprechen eine deutliche Sprache.

Radfahrer auf der Gürtelbrache

Radfahrer auf der Gürtelbrache

Die Trasse des Niehler Gürtels wird schon heute regelmäßig von Radfahrern genutzt, sowohl als Verbindungsstrecke innerhalb des Viertels als auch als Zubringer Richtung Mülheimer Brücke / Rhein.Ist der erste Teil zwischen Merheimer Straße und Neusser Straße auf einem asphaltierten Fuß- und Radweg gut zu fahren, so geht es ab Niehler Kirchweg nur noch über holprige, oft enge und zugewachsene Wege Richtung Nordpark. Hier kreuzt eine der stadtauswärts führenden Radialen des Radverkehrsnetzes NRW. Ab der Amsterdamer Straße geht es über die Barbarastraße und einen endlich gebauten Überweg über die Boltensternstraße Richtung Kuhweg und dann auf die Mülheimer Brücke.

 

tödlicher Fahrradunfall 2010

tödlicher Fahrradunfall 2010

Die dort verwirrenden und umständlichen Auf- und Abfahrten zur Mülheimer Brücke bezahlte im November 2010 ein Radfahrer mit seinem Leben, als er beim Queren des Kuhwegs von einem Auto erfasst wurde. Die sicht behindernden Büsche wurden kurz danach zurück geschnitten. Ansonsten hat sich dort nichts für Radfahrer verbessert.

 

Radroutennetz NRW inkl. REWK

Radroutennetz NRW inkl. REWK

 

 

Eine sichere und schnelle Verbindung für Radfahrer von der Mülheimer Brücke bis nach Mauenheim auf der Gürteltrasse, inklusive Anbindung an das Radnetz NRW und Fahrradabstellern an den bestehenden und zukünftigen KVB Haltestellen wäre mit überschaubarem Aufwand zu realisieren.

 

Detaillierte Ausführungen zu unsere Überlegungen eines möglichen Radschnellwegs auf der Gürteltrasse finden Sie bald in der Rubrik „Vision“

 

3.Fußgängerverkehr

 

Der größte Teil des heute auf der Trasse des Niehler Gürtels schon stattfindenden Verkehrs ist Fußverkehr. Zahllose Passanten nutzen des Areal: Kinder auf dem Weg zur Schule, Menschen auf dem Weg zu den Hochbahnhaltestellen, Hundebesitzer, Erholung Suchende auf dem Weg in die Parks…

Die Gründe und Ziele sind so vielfältig wie die in den Jahren entstandenen Wege. Ein Fußgänger sucht immer den kürzesten Weg!

Fußgänger auf dem Mauenheim Gürtel

Fußgänger auf dem Mauenheim Gürtel

Von diesem Wegenetz blieb nach einer Niederlegung der Bahn und/oder dem Bau einer Straße nicht viel übrig. Wie gewohnt würden Wege auf ein Minimum reduziert und an wenigen Knoten gebündelt. Dort kreuzt man dann mittels Ampeln oder wie in den alten Planungen mittels aufwendiger Brücken- und Tunnelbauten Gleise und Fahrbahn. Die Wege werden länger und unattraktiv. Wie an vielen Stellen in der Stadt werden sich die Fußgängern nicht an die Umwege halten. Der kurze Weg wird gesucht, mit entsprechender Gefahr für Leib und Leben.

Eine Erfassung des Fußgängerverkehrs und eine Berücksichtigung bei zukünftigen Planungen ist unabdingbar.

 

4.Autoverkehr

 

Friedrich-Karl-Straße

Friedrich-Karl-Straße

Das zentrale Argument für den Bau einer Straße in diesem Bereich, ist die Entlastung anderer Straßen vom Autoverkehr. Hauptsächlich geht es dabei um die Merheimer und Friedrich-Karl-Straße.

Dazu muss man wissen, das (je nach Zählung) nur 5-10% des Verkehrs auf diesen Strecken Durchgangsverkehr vom Mauenheim Gürtel zur Mülheimer Brücke ist und umgekehrt ist. Der Rest ist Quell-, Ziel- und Binnenverkehr, d.h. Verkehr der angrenzenden Viertel. Die Gürtelstraße würde diesen Verkehr nur zum Teil verlagern können.

Die heutigen Verkehrsmengen sind übrigens weit entfernt von Straßen wie Aachener Straße oder Luxemburger Straße und nehmen auch seit Jahren nicht mehr zu. Durch Rückbau auf 2 Fahrspuren, Änderung von Kreuzungen auf Kreisverkehre und Reduzierung von Tempo 50 auf 30 (inklusive Tempokontrollen!) ließe sich die Belastung der Anwohner stärker reduzieren als durch den Bau der Gürtelstraße.

LKW-Führungskonzept 2012

LKW-Führungskonzept 2012

Bei allen bisherigen Planungen zum Niehler Gürtel wurde ein Straße dimensioniert, mit einer Kapazität von 40 – 50.000 Autos pro Tag. Dies hätte eine deutliche Verlagerung von überregionalem Durchgangsverkehr nach Nippes zur Folge. Vor allem geht es dabei um eine schnelle Verbindung von der A57 zur Mülheimer Brücke und dann weiter zur A4. Schon im Brückenleitsystem der Stadt Köln wird diese Verbindung als „Überlauf“ bei Stau auf der Zoobrücke vorgesehen. Auch im 2012 beschlossenen LKW-Führungskonzept der Stadt Köln taucht der Niehler Gürtel als Verbindung für den Schwerlastverkehr bereits auf.

Man darf davon ausgehen, dass auch die jetzt angestoßenen neuen Planungen für eine reduzierte Straße diese Funktion beinhalten wird.

Neue Straßen erzeugen neuen Verkehr, eine seit langem bewiesene Erkenntnis! Paris ohne Auto

Man sollte aufhören, durch den Bau neuer, schneller Straßen und die Ausweitung von Parkflächen an einem Verkehrsmittel festzuhalten , das schon in wenigen Jahrzehnten, mit dem Ende des Ölzeitalters, in der heutigen Form nicht mehr existieren wird. Andere Städte gehen längst einen anderen Weg.