Rückenwind für Klimaschutz
Die Zeiten für nachhaltige Ideen in der Verkehrsplanung sind da. Mit der ideellen Unterstützung von FridaysForFuture, mit dem Schub der Europawahl, schaffen es überall nachhaltige Ideen auf die Tagesordnung in den Gremien. Eine nachhaltige Stadtentwicklung war noch nie Bedrohung, sondern bringt eine schöne, eine freundliche, den Menschen zugewandte Umgestaltung des öffentlichen Raums mit sich. Wir haben JETZT die Gelegenheit, diese Ideen zu denken und vor allem: sie auch zu beschließen. In diesem Beitrag beschreiben wir, wofür wir uns für Ehrenfeld die autofreie Venloer Straße wünschen, welche Vorteile das hat und wie das aussehen kann. Und erklären, warum die Idee, die Venloer Straße zur Einbahnstraße zu machen, richtig schlecht ist.
Köln soll sein 1,5-Grad Klimaziel schaffen
Die United Nations (UN) und alle Wisssenschaftler*innen empfehlen der Welt dringend, die Erwärmung des Weltklimas bis 2030 auf 1,5 Grad zu begrenzen. Wenn wir das als Weltgemeinschaft nicht schaffen, gelangt das Weltklima in eine Spirale, in der es immer heißer wird. Alle Länder, alle Städte und Gemeinden sind gefragt, ihren Beitrag zu leisten. Wenn Köln das 1,5 Grad-Ziel bis 2030 erreichen möchte, dann geht das nur, indem Köln seinen Auto-Verkehr in den nächsten 10 Jahren um 70% reduziert. So hat es das renommierte Wuppertal-Institut errechnet. Der Autoverkehr ist in Köln einer der Hauptverursacher für die klimaerwärmenden Treibhausgase. 70% weniger Autos als heute bedeutet: Das Auto hat dann noch einen Anteil am Verkehr von insgesamt 10%. Dieses Ziel ist nur mit autofreien Straßen zu realisieren. Und zwar mit vielen autofreien Straßen in ganz Köln.
Ehrenfeld als Pilot-Bezirk
Ehrenfeld ist ein idealer Pilot-Bezirk, ein Stadt-Labor. Dort können wir probieren, wie die Stadt in 10 Jahren aussehen soll, wie zum Beispiel die weitgehend autofreie Stadt. Auf der Venloer Straße ist das kurzfristig und ohne große Kosten machbar.
Fahrradstraße Venloer
Wie sieht sie aus, die Venloer Freiheit? Die Venloer Straße soll eine echte Fahrradstraße werden. Und zwar so, wie es die Straßenverkehrsordnung eigentlich vorsieht: ohne Autonutzung. Die Bezirksvertretung Ehrenfeld hat schon 2018 beschlossen, dass bis 2025 der Radverkehr die Hälfte aller Fahrten in Ehrenfeld übernehmen soll. Das geht nur mit der richtigen Infrastruktur. Unsere Oberbürgermeisterin Henriette Reker hat dieses Ziel auf der RADKOMM 5 für ganz Köln übernommen: Köln soll einen Radverkehrsanteil von 50% haben. Schon in 5 bis 10 Jahren.
Ein grüner Innenstreifen für die Venloer
Die neue Venloer Straße bekommt einen begrünten Innenstreifen. In Zeiten versiegelter Städte, Starkregen und Klimawandel müssen versiegelte Flächen zurückgebaut werden. Das Modell haben DEINE FREUNDE bereits vor Jahren getestet: Auf dem allerersten Tag des guten Lebens, 2013 in Ehrenfeld, haben wir einen Teil der Venloer Straße so bereits umgestaltet. Ein großer Erfolg, die Menschen liebten es :-). Die Venloer mit einem Grünstreifen sieht super aus, ist ökologisch sinnvoll und schafft einen neuen einmaligen Stadt- und Begegnungsraum – aus dem Nichts. Ohne großen Kosten.
Alternativ könnten wir uns eine Fußgänger*innenzone mit hoher Aufenthaltsqualität vorstellen, mit einem Shared-Space für Radfahrer*innen. Aus vielen anderen Städte und aus wissenschaftlichen Untersuchungen wissen wir, dass der Einzelhandel Umsatzsteigerungen bis zu 40 % erfährt, wenn Straßen autofrei gestaltet sind. In Zeiten von Online-Shopping braucht der Einzelhandel in Ehrenfeld eine attraktive Venloer Straße. Nur eine einladende Venloer Straße, die viele Menschen anzieht, die dort gerne verweilen, gibt dem lokalen Handel eine echte Chance.
Ehrenfeld braucht eine Fußgänger*innenzone
Ehrenfeld hat 110.000 Einwohner*innen. Wäre Ehrenfeld heute noch eine eigenständige Stadt, hätte Ehrenfeld längst eine eigene Fußgänger*innenzone!
Wie in Fußgänger*innenzonen weltweit üblich, hat der Anliefer-Verkehr feste Zeiten für die Anlieferung. Die nicht mehr benötigten Parkplatzflächen bieten genug Raum für die Lieferungen, so dass Fahrzeuge nicht mehr auf der Straße stehen müssen. Dadurch werden Konflikte mit den Fußgänger*innen und Radfahrer*innen gering gehalten. Die Bezirksvertretung Ehrenfeld hat in ihrer letzten Sitzung übrigens bereits beschlossen, dass die Anlieferzonen auf der Venloer farblich markiert werden, sodass sie als solche deutlich wahrnehmbar werden. Das ist ein Versuch, die Lieferflächen von den parkenden Autos frei zu halten. Und ein Beleg dafür, dass die Bezirksvertretung Ehrenfeld die Umgestaltung der Venloer Straße im Blick hat.
Verstaubte Idee für die neue Venloer: die Einbahnstraße
Statt die Venloer Straße zeitgemäß und zukunftsweisend zu planen, werden leider derzeit alte „grüne“ Ideen aus den Schubladen geholt. Damals, vor mehr als 20 Jahren, war es vielleicht revolutionär, die Venloer Straße als Einbahnstraße zu denken. Heute, 2019, ist das eine müde Idee. Die Verfechter*innen sagen selbst: „Mehr ist nicht mehrheitsfähig.“ Damit sagen sie zweierlei: Dass sie die Idee selbst nicht für zukunftsweisend halten. Und dass sie die Ideen, die es eigentlich braucht, dem Spiel der Partei-Strategie leichtfertig opfern. Das ist unserer Auffassung nach nicht etwa sogenannte „Realpolitik“, sondern das ist Politik, die sich durch „vorzeigbare“ Beschlüsse profilieren will. Und zwar auf Kosten der Beschlüsse, die es wirklich braucht. Denn: WENN die Venloer Straße nun als Einbahnstraße geplant und umgesetzt wird, wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, dass sie zügig wirklich modern umgebaut werden wird? Und: Wäre es nicht unzumutbar für die Menschen in der Verwaltung, nun erst eine Einbahnstraße zu planen, um dann in ein-zwei-drei Jahren zu sagen: So, nun machen wir doch die die richtige Lösung?!
Verkehrsausschuss und Rat grätschen in die Politik auf Bezirksebene
Plötzlich soll also die Einbahnstraße auf der Venloer Straße kommen. Festgelegt hat dies der Verkehrsausschuss der Stadt Köln am 18. Juni 2019. Und ignoriert einfach so, dass die Bezirksvertretung Ehrenfeld seit langem eine nachhaltige und fußgänger*innen und fahrradfahrer*innenfreundliche Lösung für die Venloer Straße plant, die weit über eine Einbahnstraße hinausgeht. Beschlossen haben die Einbahn-Venloer ausgerechnet Mitglieder des Rats, die zum großen Teil gar nicht aus Ehrenfeld kommen.
Das ist vermutlich kein Zufall. Dem Rat der Stadt Köln wird nach der neuen Aufgaben-Verteilung, die für Köln beschlossen ist, die „Macht“ über bezirkliche Straßen bald entzogen. Sollen hier vorher noch schnell Fakten geschaffen werden?
Bezirksvertretung will über die Venloer entscheiden
Die Bezirksvertreter*innen in Ehrenfeld hatten bereits vor dem Verkehrsausschuss beschlossen, dass aus der Bundesstraße eine Gemeindestraße werden soll. Nach dieser Umwidmung in eine Gemeindestraße wäre die Bezirksvertretung Ehrenfeld und damit die Einwohner*innen Ehrenfelds alleine zuständig für die Venloer Straße. Das war den Ratspolitiker*innen und damit den Vertreter*innen im Verkehrsausschuss natürlich bekannt und es war ihnen auch klar, dass die Bezirksvertretung Ehrenfeld ihre eigene Planung für die Venloer Straße machen möchte. Wollen sich hier manche im Verkehrsausschuss und im Stadtrat noch schnell mit vermeintlich bahnbrechenden Ideen auf Kosten der nachhaltigen Bezirkspolitik profilieren?
Warum eine Einbahnstraße eine schlechte Idee ist
Wir finden: Ehrenfeld und die Venloer Straße haben eine bessere Lösung verdient als das, was der Verkehrsausschuss jüngst beschlossen hat. Eine Einbahnstraße ist aus diversen Gründen eine schlechte Idee:
Vor 10 Jahren war das Verkehrsaufkommen noch geringer und vor allem gab es viel weniger Fußgänger*innen und Fahrradfahrer*innen. Heute ist die Venloer die Straße mit dem meisten Radverkehr in Köln.
Die erfreundliche Zunahme des Rad-und Fußverkehrs hat zur Folge, dass die Kreuzungen nicht mehr funktionieren. Das kommt daher, dass geradeaus laufende oder fahrende Fußgänger*innen und Fahrradfahrer*innen ein Rechtsabbiegen der Autos verhindern. Jeder Versuch eines Autos, irgendwo rechts abzubiegen, führt zu einen Stau, weil die Autofahrer*in warten muss. Genau das passiert auf der Venloer gerade. Daran ändert eine Einbahnstraße: nichts.
Hinzu kommt die unerwünschte Nebenwirkung der Einbahnstraße, dass Autofahrer*innen schneller fahren, wenn sie mehr Platz haben. Und weil ihnen kein Auto mehr entgegenkommt. Das lässt sich auf der Venloer schon jetzt wunderbar beobachten: Sobald die Straße mal ein bisschen frei ist, wird Gas gegeben. Und wenn nachts viel weniger Radfahrende unterwegs sind, erst recht. Wir wollen auf keinen Fall mehr Platz für das Auto. Auch nicht, wenn es in nur eine Richtung geht.
Die Expert*innenenmeinung: Venloer autofrei!
Mikael Coville-Andersen, einer der weltweit renommiertesten Städteplaner, hat auf der RADKOMM 5 anschaulich erklärt, dass die direkten Verkehrs-Verbindungen in einer modernen Stadt ausschließlich den Fußgänger*innen und Fahrradfahrer*innen gehören, während Autofahrer*innen Umwege fahren, damit sie zum langsamen und bedächtigen Fahren gebracht werden. Und damit nicht länger das Auto bevorzugt wird durch die direkten Verbindungen und Achsen, die durch die Stadt gezogen werden. In der modernen Stadt gilt dieses Recht den Menschen, die ohne Auto mobil sind! Mikael Colville-Andersen hat sich auch die Venloer Straße angeschaut und vorgeschlagen, dass sie autofrei wird: „Why is this not a car-free street? It could be beautiful.“
Die Venloer Straße ist die Haupteinkaufsstraße in Ehrenfeld. Solange Autos auf der Venloer Straße fahren, werden Kurz-Parker auf dem Seitenstreifen stehen, weil sie „mal eben“ etwas erledigen wollen. Mit breiteren Radspuren wird es noch mehr Einladung zum Halten auf dem Seitenstreifen geben.
Nie gab es mehr Rückenwind für nachhaltige Verkehrsplanung als jetzt. Lasst uns mutig sein!
Wir wollen keine Verkehrsplanung von gestern. Wir wollen die VENLOER Auto-FREIHEIT.
Natürlich – So, wie sich die Venloer zwischen Gürtel und Bickendorf entwickelt…
Daher: Venloer autofrei zwischen Innerer und Äußerer Kanalstraße!
[…] Auch die Politik hat den Fehlschlag eingestanden: Die Venloer soll schon wieder umgestaltet werden, als Einbahnstraße, als Fahrradstraße oder gleich ganz als Fußgängerzone. Denn wenn so viele Menschen zu Fuß und mit dem Rad unterwegs sind, ist kein Platz für so viele Autos. Wir sind natürlich dafür, die Venloer Straße autofrei zu machen. Denn Ehrenfeld braucht endlich ein autofreies Zentrum! […]
In Sachen Venloer Straße / Ehrenfeld bewegt sich was im Kölschen Stadtrat. CDU / GRÜNE / GUT wollen die 20 Jahre alte Idee einer Einbahnstraßenlösung wiederbeleben.
Aber ist das GUT genug für die 2020-er Jahre?
Ich (als damaliger Sprecher der GRÜNEN Ehrenfeld) hatte in 2006 eine Machbarkeitsstudie für eine Einbahnstraßenlösung bei VIA Köln in Auftrag gegeben. Die kam zu einem positiven Ergebnis. Aber die Idee scheiterte damals am politischen Widerstand von Geschäftsleuten der Venloer Straße sowie von SPD, CDU und FDP in der Bezirksvertretung 4 – Ehrenfeld. Die Rolle der Ratsgrünen in 2006 gegenüber der Einbahnstraßenlösung, die von den Ehrenfelder Grünen propagiert wurde, habe ich in unguter Erinnerung: von denen wurde die Idee zuerst fallengelassen und danach vergessen.
Heute schätze ich ich eine Einbahnstraßenlösung für die Venloer als antiquiert und zu wenig innovativ ein. Eine autofreie Venloer in Form einer echten (!) Fahrradstraße wäre im Jahr 2020 zeitgemäß. Mit Ausnahmen für (Auto-) Lieferverkehr in einem eng begrenzten Zeitfenster.
Verkehrspolitischer Sachverstand, Innovationskraft und Mut liegt heute in Köln bei RADKOMM, AUFBRUCH FAHRRAD und DEINE FREUNDE.
Wenn nicht in Ehrenfeld, wo dann? Auf der Venloer wird keine Ware verkauft, für die man ein Auto braucht. Für die Tiefgarage am Neptunplatz müsste man eine Lösung finden. Aber wenn man möchte, findet man diese. Heute haben wir Strecken, die weder für Auto noch Rad angenehm zu befahren sind. Die Vogelsanger wird bald mit Schutzstreifen ausgestattet, dazwischen eine enge Fahrbahn. Für beide Parteien unangenehm. Es gibt immer nur diese Radinfrastruktur, die aus Kompromissen entstanden ist in Köln. Aber leider nie etwas wirklich gutes, wo man denkt: Wow! In 10 Jahren soll es diese Art von Radwegen überall geben! Die Politik sollte mehr Verkehrsversuche wagen. Nur wenn man Dinge ausprobiert, weiß man, ob etwas funktionieren kann.
Aber bitte, bitte auch über den Gürtel hinaus!!