Der Kölner Kommmunalwahlkampf läuft. Überall hängen Plakate, es werden Flyer verteilt, und vor allem gibt’s eine Menge Eigenwerbung. Viel Werbung heißt aber auch: viel Müll! Ist das bei uns auch so?
Wir Klima Freunde haben unser Material bei einem Gemeinwohl-oritentierten Unternehmen drucken lassen – mit 100% Bio-Farben und kunststofffreiem Recycling-Papier. Außerdem haben wir Möbelrückwände wiederverwendet und in Handarbeit gesägt. Das haben wir den meisten anderen Bewerber*innen voraus. Nur die Kabelbinder konnten wir (diesmal) leider nicht vermeiden.
Aber wie sieht es eigentlich in der digitalen Welt aus? Denn auch dort wird gepostet und geworben, was das Zeug hält.
Wusstest du, dass du dir zu zu jeder Seite anzeigen lassen könnt, wer wie viel Werbung schaltet? Am 20. August gab es z.B. allein auf Facebook (teils mit unterschiedlicher Laufzeit) folgende aktive Werbeanzeigen:
  • FDP Köln: über 50 aktive gesponsorte Posts
  • GUT: 12 aktive gesponsorte Posts
  • CDU Köln: 12 aktive gesponsorte Posts
  • SPD Köln: 4 aktive gesponsorte Posts
  • Grüne Köln: 3 aktive gesponsorte Posts
  • Die Linke: 2 aktive gesponsorte Posts
  • AfD: 2 gesponsorte Posts
  • Volt Deutschland (kein Extra-Account für Köln) schaltet ebenfalls Werbung
  • Roberto Campione: 1 aktiver gesponsorter Post – generell wäre es zuviel Mühe noch alle Einzelpersonen aufzuzählen aber Henrietter Reker und viele anderen OB-Kandidaten, sowie ganz viele weitere Kandidaten, Bezirksvertretungen, Ortsvorstände und mehr haben ebenfalls Werbung geschaltet…
  • KLIMA FREUNDE: 0 aktive gesponsorte Posts
Ganz genau. Nur wir KLIMA FREUNDE bieten 0 aktive gesponsorte Posts. Denn wir sagen JA zum freien offenen Netz ohne Überwachungskapitalismus. Und wir sagen Ja zu nachhaltiger Digitalisierung.
Wir würden das gerne noch konsequenter durchziehen. Nur spielt sich die digitale Lebensrealität für einen Großteil der Menschen in den Diensten von Facebook (Facebook.com, Instagram.com, Whatsapp) und Twitter ab. Den großen sozialen Netzwerken aktuell komplett fernzubleiben, wäre ein Nachteil in der Wahrnehmung unserer Gruppe.
Wir sind uns darüber im Klaren, dass uns allein der Verzicht auf gekaufte Werbung schon einen mächtigen Nachteil einhandelt. Doch nach einer intensiven und starken Diskussion im Plenum haben wir uns darauf verständigt, unseren Prinzipien auch hier treu zu bleiben. Auch im Netz stehen wir für die Orientierung am Gemeinwohl und die Wahrung der Demokratie – und stellen uns gegen Machtmonopole und Überwachungskapitalismus.
Auf der Konferenz Bits & Bäume 2018 – aus der die Bewegung für nachhaltige Digitalisierung entstanden ist – haben Steffen Lange und Tilman Santarius drei Leitprinzipien einer nachhaltige Digitalisierung vorgestellt:
Prinzipien einer zukunftsfähigen Digitalisierung

Abb.: Prinzipien einer zukunftsfähigen Digitalisierung. Quelle: Smarte Grüne Welt S. 150

Alle drei Prinzipien sehen wir bei den Geschäftsmodellen der sozialen Netzwerke Facebook, Instagram & Twitter NICHT erfüllt. Es gibt ökologische, soziale und auch demokratiegefährdende Gründe, von denen wir einige kurz anführen möchten:

Immenser Energieverbrauch

CO2-Fußabdruck: Die Unternehmen (z.B. Facebook) setzen nicht ausschließlich auf Ökostrom, d.h. jede Minute auf den großen sozialen Netzwerken durch den Feed scrollen heißt Kohle- und Atomstrom. Sie haben Serverlandschaften am Nordpol aufgebaut. Ihre neuronalen Netzte / KI, gerade für das Tracking, haben einen immensen Energieverbrauch. 252.949 Tonnen CO2 hat Facebook allein im Jahr 2019 emmitiert (https://sustainability.fb.com/report-pages/climate/).

Habt ihr gewusst, dass das Streaming über das mobile Datennetz ca. 5 mal mehr CO2 emmitiert als über die DSL-Internetleitung zu Hause? Oder dass es in etwa genau so viele Ressourcen braucht, Videos in der Bahn zu streamen, wie mit einem durchschnittlichen Verbrenner-Auto die gleiche Strecke nebenher zu fahren?
Globaler Stromverbrauch von Informations- und Kommunikationstechnologien

Abb.: Globaler Stromverbrauch von Informations- und Kommunikationstechnologien. Quelle: Smarte Grüne Welt S. 34

Wachstumssinteressen durch absatzorientierte Werbung

Facebook verdient hauptsächlich Geld damit, den Konsum immer weiter anzukurbeln, indem sie Werbeplätze verkaufen. Wir brauchen aber eine Konsumreduktion, u.a. wegen der planetaren Grenzen. Facebook handelt also im diametral entgegengesetzten Interesse des Planeten.
Mit jedem dritten oder vierten Post finanziert jede*r Nutzer*in einen weiteren Werbeplatz, der Facebook Einnahmen bringt, und am Ende gewinnt in Sachen Sichtbarkeit nur, wer das meiste Geld überweist.

Abb.: Weltweite Ausgaben für Onlinewerbung. Quelle: Smarte Grüne Welt S. 52

Anheizen des toxischen Umgangs in der Gesellschaft

Algorithmen und Design sind auf einen möglichst langen Verbleib auf der Seite ausgelegt – und damit aus Nutzer*innenperspektive auf Suchtverhalten. Wir sollen so viel Zeit wie möglich auf der Plattform verbringen, was uns physiologisch schadet (Augen, Körperhaltung), aber auch psychisch (Schlaflosigkeit, Despressionen, Sucht, das Abhalten von Verantwortlichkeiten und sozialen Interaktionen im echten Leben usw.)

Außerdem geht es daraum, dass möglichst viel Diskussion entsteht. Wenn Beiträge besonders kontrovers und populistisch sind, funktioniert das am besten. Cybermobbing, HateSpeech und Fake News sind eine Belastung für unsere Demokratie. Die Veantwortung, all das zu moderieren, wird von den Plattformbetreibenden nicht wahrgenommen. Stattdessen wird sie auf die Behörden abgewälzt, die hier in Deutschland vollkommen überfordert sind. Was offline sofort rechtliche Folgen hätte, wird im Netz viel zu oft nicht einmal verfolgt.

Aus Angst vor Hasskommentaren halten sich auch zunehmend mehr Menschen aus politischen Diskussionen im Internet heraus. Damit ist eine freie Meinungsäußerung eher eingeschränkt.

Abb.: „Hasskommentare bedrohen die Demokratie“. Quelle: Bundesministerium für Bildung und Forschung

Ausbeutung und Manipulation individueller Freiheiten

Plattformen, die durch den Verkauf von Benutzer*innendaten Profit machen, beeinflussen unseren Lebensstil – sogar unsere Persönlichkeitsentwicklung. Wir entdecken nicht selbst, was wir gerne anziehen wollen, welche Musik wir hören wollen oder wie wir unsere Wohnung einrichten wollen. Wir bekommen es untergejubelt – danach beurteilt, wie andere am meisten Geld damit verdienen. Es geht also ganz klar nicht um uns.
Microtargeting bedeutet, dass man Werbung individuell auf eine Person zugeschnitten zustellt. Das geht über Cookies und Nutzertracking sehr leicht. Im Prinzip lautet die Frage: Fremdpersonalisierung oder selbstbestimmter Personalisierung? Indiviudelle Kleidung statt einer Uniform zu tragen, ist Personalisierung. Aber wenn deine Eltern dir sagen, was Du anziehen sollst, ist das fremdbestimmt.
Dieser Umstand erstreckt sich sogar auf Gedanken und Meinungen. Donald Trump hat seinen Sieg ausschlaggebend durch gezieltes Microtargeting und Werbung durch Facebook Kampagnen im Zusammenspiel mit Cambridge Analytica errungen. In weniger demokratischen Ländern ist die millitärische Nutzung der Daten sogar Gang und Gebe.
Datenschutz ist wichtig! Nicht, weil wir Dinge verheimlichen, sondern weil unsere Daten neoliberal-kapitalistisch ausgeschlachtet und gegen uns als Allgemeinheit verwendet werden. Und weil Datensparsamkeit auch Energiesparsamkeit bedeutet.
Facebook and you

Zusammengefasst

Facebook, Instagram und Co. sind geschlossene Netzwerke – das MUSS bewusst sein. Nur durch das Eingehen eines Nutzungsvertrages kann man schreiben, lesen und – so wie es das Unternehmen bestimmt – mitmachen. Es ist KEIN öffentlicher Raum, denn wir können nicht demokratisch an dessen Gestaltung teilhaben. Jede*r kennt den Spruch: „Geld ist Macht“. Im 21. Jahrhundert, dem Informationszeitalter, wird mit Daten Geld gemacht – und damit sind die Daten die Macht. Sie sind das neue Öl, das die Welt dominiertund regiert. Diese Macht ist weltweit in den Händen einer Handvoll Superreicher Unternehmen.
Unser Kompromiss ist deshalb: Social Media Nutzen? Ja, um Menschen zu erreichen und auf nachhaltigere Seiten und Dienste zu ziehen. Da sind wir bzgl. des Contents achtsam und versuchen, mehr Zusammenhalt als Spaltung zu schaffen. Aber zusätzlich direkte Finanzierung der Monopole und Ausnutzung der UserInnen durch gekaufte Werbung? Ganz klar: nein!
Bei den KLIMA FREUNDEN gibt es starke Bestrebungen, die Digitalisierung weiter nachhaltig voranzutreiben. Dafür werden wir mit bestmöglichem Beispiel vorangehen und alles dafür tun, damit andere Organisationen und die Stadt Köln es ebenso handhabt. Denn es gibt eine besonders gute Nachricht: Digital is alles möglich. Es gibt immer eine Lösung. Und deshalb immer eine nachthaltige. Man muss es nur wollen und die Vorteile entdecken.
Was tun wir noch für eine nachhaltige Digitalisierung ?
  • Wir hosten unsere Website, unseren Mail Server und unsere Cloud mit grünem Strom und OpenSource-Technologien – wir machen so wenig Nutzertracking wie möglich und vermeiden Cookies, Tracker und externe Domains.
  • Wir benutzen vorrangig Apps und Software von Gemeinwohl-orientierten Unternehmen und Organisationen.
  • Wir versuchen, Inhalte vorrangig auf unserer Website zu pflegen und die Menschen aus unnachhaltigen Medien in das freie Internet zu holen.
  • Wir haben als EINZIGE wählbare Kraft in Köln einen Account bei einem dezentralen sozialen Netzwerk, welches Open Source ist – Mastodon (hier der Link zu unserem Account @klima_freunde@social.tchncs.de). So geben wir den Menschen die Möglichkeit, auch in einem Privatsphäre wahrenden, nicht-kommerziellem Raum unseren Neuigkeiten zu folgen und sich mit uns auszutauschen.
  • Wir nutzen Vimeo statt YouTube, um nicht dazu beizutragen, die Algorithmen von Google besser zu trainieren, und um Videos ohne Werbung und mit weniger Nutzertracking zu ermöglichen.
  • Wir posten in der Regel keine Bilder von Kindern – und wenn doch, dann nur nach expliziter Nachfrage und Zusage und ein Opt-Out ist jederzeit möglich.
  • Wir tauschen und leihen gebrauchte Geräte untereinander.
  • …wir tun jeden Tag etwas mehr :)
  • Und nicht zuletzt wollen wir unsere guten Erfahrungen nachhaltig in den Stadtrat und die Verwaltung bringen.

Quellen und weitere Links