Gastkommentar von Dr. Volker Ermert zum SPD-Verkehrskongress
Am 16. März 2013 lud die Kölner SPD-Fraktion zu einem Kongress unter dem Titel „Verkehrspolitik ist Zukunftspolitik“ ins Rathaus ein. Die zumeist männlichen und älteren Teilnehmer diskutierten über ein neues Verkehrskonzept für Köln. Die SPD bekennt sich demnach zu dem Kopenhagener Ziel, den Umweltverbund zu stärken und den motorisierten Individualverkehr (MIV) zu begrenzen. Der Radverkehr und der öffentliche Personennahverkehr (ÖPNV) sollen je einen Anteil von mindestens einem Drittel ausmachen. Der lärmende und „miefende“ MIV soll auf einen Anteil von maximal einem Drittel reduziert werden. Die Kölner Verkehrsbetriebe (KVB) sollen zu einem Mobilitätsdienstleister umgebaut werden, der die Verkehrsmittel vernetzt. Soweit waren sich die Teilnehmer einig! Selbst die Industrie- und Handelskammer (IHK) und der Allgemeine Deutsche Automobilclub (ADAC) stimmten zu.
Per Als („Chief Transport Executive Copenhagen“) berichtete, wie Kopenhagen es geschafft hat, das Radfahren populär zu machen. Solche Maßnahmen für den Radverkehr sind verhältnismäßig günstig und bevorzugen einen umweltfreundlichen Verkehr. Kopenhagen gibt zur Zeit zehn Millionen Euro pro Jahr für den Radverkehr aus. Radschnellwege und selbst Fahrradbrücken sind Infrastrukturmaßnahmen, die keine horrenden Investitionen erfordern. In Kopenhagen hat ein Fahrradbrücke zum Beispiel so viel gekostet wie 15 Meter einer U-Bahn. Radfahren muss vor allem sicher und einfach sein. Die Grüne Welle für Radfahrer ist da eine Selbstverständlichkeit.
Zukünftig müsste also in Köln der Radverkehr bevorzugt werden. Im Gegensatz zum MIV besteht auch ein enormer Nachholbedarf, wie der Verkehrsdezernent Franz-Josef Höing versicherte. Der ADAC-Vertreter entgegnete promt, Köln solle die Verkehrsträger gleich behandeln. Selbst das würde eine Geldschwämme für die Radinfrastruktur bedeuten. Das würde dem ADAC sicher nicht schmecken, denn es muss doch viel mehr Geld für die Sanierung von Brücken ausgegeben werden.
Diskutiert wurde die Frage wie die Drittelung (siehe oben) erreicht werden soll. Prof. Dr. Andreas Knie vom Innovationszentrum für Mobilität und gesellschaftlichen Wandel forderte in Anlehnung an die Energiewende eine echte Verkehrswende! Private Autos sollten durch hohe Parkgebühren und eine Maut aus der Stadt gedrängt werden. Fraktionschef Martin Börschel konnte sich dieser innovativen Idee leider nicht anschließen und so setzt die SPD darauf, dass das die Kölner freiwillig ihr Auto abschaffen.
Mein Fazit: Es tut sich was in der SPD, aber es bleiben viele Fragen: Setzen sich die neuen Ideen wirklich durch? Schaffen es die Politiker in Köln eine echte Verkehrswende herbeizuführen oder bleibt letztlich alles beim Alten?
Köln hat mit einem neuen Verkehrskonzept jedenfalls viel mehr zu gewinnen als zu verlieren! Köln sollte eine Städtepartnerschaft mit Kopenhagen eingehen und lernen wie so etwas gemacht wird. Mehr Mut ist in der Verkehrspolitik notwendig!
Unser Gastautor Dr. Volker Ermert ist 36 Jahre alt, wohnt in Ehrenfeld, hat Meteorologie studiert, 2004 sein Diplom abgeschlossen und anschließend zum Thema „Klimawandel und Malaria“ promoviert. Seit 2010 ist er Post-Doc an der Uni Köln und arbeitet dort im Institut für Geophysik und Meteorologie für Projekte. Ehrenamtlich engagiert er sich vor allem im Sinne der Nachhaltigkeit und macht beim Klimabündnis Köln, der Critical Mass Köln, dem Energieforum und im Obsthain im Grünen Weg (urbane Agrikultur) mit. Seit September 2012 ist er Beiratsmitglied in der neuen Bewegung Agorà Köln, die eine nachhaltige Transformation Kölns fordert und die den Tag des guten Lebens/Kölner Sonntag der Nachhaltigkeit am 15. September 2013 gestaltet. Volker Ermert schrieb 2011 bereits einen Gastbeitrag zum Thema Verkehr in Köln für DEINE FREUNDE.</em
Links:
Link zur Veranstaltung der SPD-Fraktion Verkehrspolitik ist Zukunftspolitik
Aktueller Stand ADFC Köln und Umgebung e.V. // velo2010
http://www.ksta.de/koeln/velo-2010-fahrradbuendnis-ohne-radfahrer,15187530,22180676.html
Hier finden Sie die aktuellen Infos zur Position des ADFC bzgl. velo2010: http://www.ksta.de/koeln/velo-2010-fahrrad-club-verlaesst-expertenkreis,15187530,16856348.html
Die fahrradspezifische Zukunft in Köln sieht so aus:
© Joachim Schalke und Norbert Schmidt
ADFC Köln und Umgebung e.V.
Köln wird eine multimodale Mobilitätsstadt
Ein wichtiges Element ist dabei der sichere hohe Radverkehrsanteil, der dadurch erreicht wird dass:
•die gesamte Radverkehrsinfrastruktur als integrativer Bestandteil der Verkehrsinfrastruktur eine größtmögliche Verkehrssicherheit
und komfortable Befahrbarkeit gewährt,
•auf dem gesamten Kölner Stadtgebiet Tempo 30 als Regelgeschwindigkeit eingeführt wird; lediglich in begründeten Ausnahmefällen, in denen von einer höheren Geschwindigkeit keine Gefahren ausgehen, kann Tempo 50 zugelassen werden,
•für Radfahrer künftig ein komfortables, dichtes und lückenloses
Radverkehrsnetz vorgehalten wird,
und zwar stadtweit, also auch in den Kölner Außenbezirken (siehe Ergebnisse der Mängelbefahrung in Porz sowie in in Chorweiler und Umgebung)
•Radfahrer ein ausreichend gutes Stellplatzangebot an ihren Wohnungen und
an ihren Zielen (Stadtzentren, Arbeitsstellen, Schulen, etc.) vorfinden,
(da ist die Stadt gegenüber anderen Kommunen schon recht weit)
•sich auch private Akteure (Einzelhändler, Arbeitgeber, etc.) verstärkt in der
Radverkehrsförderung engagieren,
•die Potentiale des Radverkehrs bei verschiedenen Verkehrszwecken
(Schülerverkehr, Berufsverkehr, Einkaufsverkehr, Freizeitverkehr etc.) stärker
genutzt werden,
•Mitarbeiter der Stadt Köln und der Polizei Köln stärker für Radverkehrsbelange sensibilisiert sowie fortgebildet werden und diese in ihrer täglichen Arbeit selbstverständlich berücksichtigen,
(das scheint mir eher ein verwaltungsinternes Kommunikationsproblem zu sein)
•der Radverkehr als fester Bestandteil in der Verwaltungsarbeit
organisatorisch, personell und finanziell implementiert und professionalisiert wird,
•die radverkehrsbezogene Kommunikation zwischen Verwaltung, Politik,
gesellschaftlichen Akteuren und der Bevölkerung ausgebaut wird,
Sind die 4 Mal jährlich stattfindenden Verkehrstreffs in dieser Form zielführend?
•die Radverkehrsplanung bei Interessenabwägungen einen hohen Stellenwert
erhält, aber nicht zu Lasten der Belange des Fußgängerverkehrs durchgesetzt
werden darf,
•das Angebot fahrradbezogener Dienstleistungen (z.B. Fahrradverleih)
ausgebaut wird.
…
Die Bestrebungen zum Erreichen dieser angestrebten Zielsetzungen sollten
regelmäßig auf Ihre Effektivität überprüft werden, indem die Auswirkungen auf
folgende Kriterien betrachtet werden:
1. Erhöhung der Verkehrssicherheit
Die Anzahl der verunglückten Radfahrer ist auch bei Steigerung des
Radverkehrsanteils weiter deutlich zu senken. Der Trend gesteigerter Unfallzahlen
mit schwer verletzten Radfahrern ist zu stoppen und langfristig – soweit möglich –
gegen null zu reduzieren (Vision Zero). Alle radverkehrsbezogenen Unfallhäufungsstellen sind zu beseitigen.
hier sollten wir konkret die Unfallschwerpunkte (nach Auswertung v.a. der Unfälle mit Schwerverletzten und Toten) benennen:
1) freie Rechtsabbieger (mit und ohne Ampeln)
2) querende (Zweirichtungs-)Radwege an Autobahnauf- bzw. abfahrten.
Hat die Stadt deren Entschärfung im Auge? (vor vielen Jahren gab es mal ein solches Programm; was ist daraus geworden?) Welche sind bereits entschärft, welche nicht und warum nicht?
Weitere Forderungen unsererseits sind:
• Sofortige Aufhebung der Radwegbenutzungspflicht fahrbahnbegleitender Radwege im Stadtbezirk 1 Innenstadt/Deutz
• Sofortige Aufhebung der Radwegbenutzungspflicht fahrbahnbegleitender Radwege in den verbliebenen Tempo-30=Zonen (ein seit 14 Jahren praktizierter Rechtsverstoß gegenüber der StVO-Novelle von 1997)
• Sofortige Aufhebung der Radwegbenutzungspflicht fahrbahnbegleitender Radwege an Straßen(abschnitten) mit Tempo-30=Anordnung (linear)
• Sofortige Aufhebung der Benutzungspflicht von Zweirichtungsradwegen in Innerortslagen auf der linken Fahrbahnseite
• Grundsätzlich die Beseitigung von Ampeln mit Anforderungstechnik („Bettelampeln“) in innerstädtischen Bereichen (außerorts durchaus akzeptabel)
• Mittelfristig: Entschärfung sämtlicher freien Rechtsabbiegespuren
• Mittelfristig: Entschärfung sämtlicher Radwegquerungen an Autobahn-
auf-/abfahrten
• Mittelfristig: Änderung der Signalsteuerung an radverkehrsrelevanten Ampeln (v.a. entlang des städt. Radverkehrsnetzes) nach Empfehlungen der RiLSA, also mit max. 60 sec. Umlaufzeit)
• Optimierung der Ampelschaltungen bei Querung von Ausfallstraßen mit hoher Barrierewirkung Beseitigung der 90 – 110 sec=Umlaufzeiten
• Klare und eindeutige Radverkehrsführungen an Knoten (z.B. beim Wechsel vom linken Radweg auf Fahrbahn bzw. auf rechte Seite und umgekehrt)
• Klare und eindeutige Radverkehrsführungen bei größeren Umgestaltungen (zB Kreisverkehre)
• Selbsterklärende Markierungslösungen sind gegenüber Beschilderungen/ Austafelungen zu favorisieren
• Regelmäßige Durchführung von Verkehrsschauen (so wie es laut VwV-StVO vorgegeben ist) unter Einbeziehung des ADFC
• Regelmäßige Durchführung der Ortstermine der Verkehrsunfallkommission unter wechselnder Leitung der Stadt Köln, der Polizei Köln und des ADFC Köln und Umgebung e.V.
2. Steigerung des Radverkehrsanteils
Der Radverkehrsanteil bei der Anzahl der Wege soll mittel- bis langfristig deutlich
gesteigert werden, um das Ziel des Leitbildes der AGFS zu erreichen. Dem ADFC erscheinen mittelfristig Werte von stadtweit 25 – 30 % als realistischte Zielvorgabe. Die Steigerung des Radverkehrsanteils darf dabei nicht zu Lasten des Fußgängerverkehrs erfolgen. Stattdessen sind die jeweils rechten Fahrbahnen der mehrspurigen Straßen v.a in den Verdichtungsbereichen für den Radverkehr vorzuhalten, um die zu erwartenden höheren Radverkehrsanteile aufnehmen zu können. Dies kann ggf in Verbindung mit dem bundesweiten Konzept der Radschnellwege realisiert werden.
3. Steigerung der Zufriedenheit
In Köln soll ein angenehmes Fahrradklima erzeugt werden. Die Bürgerschaft soll
sich dem Radverkehr verbunden fühlen und sehr zufrieden sein mit der
Ausgestaltung und Anzahl der Radverkehrsangebote. Die Bürger sollen dadurch eine
gesteigerte Lebensqualität wahrnehmen und sich wahlfrei in der Benutzung eines
Verkehrsmittels fühlen, so dass sie eine situationsangepasste Verkehrsmittelwahl
treffen können.
Es wird angestrebt
•die Zahl der verunglückten Radfahrer bis 2020 um ca. 30 %,
•die Zahl der getöteten und schwer verletzten Radfahrer bis 2020 um ca. 50 %,
•die Zahl der Unfallhäufungsstellen bis 2020 um 100 % auf 0
zu reduzieren,
•den Radverkehrsanteil bis 2020 auf 25 % zu steigern,
•einen eigenen Fahrradklimatest zu entwickeln und bis 2020 die Zufriedenheitswerte hinsichtlich der fahrradspezifischen subjektiven Verkehrssicherheit erheblich zu steigern.