
Die geplante Spielbank an der Cäcilienstraße ist ein Schildbürgerstreich
Irrer Plan: Das ARAL-Parkhaus an der Cäcilienstraße soll einem Spielkasino weichen. Wie wäre es stattdessen mit einem neuen Ort für Kultur? Platz für eine Kunsthalle und andere Einrichtungen gäbe es dort genug, sagt unser Gastautor Christoph Löhr!
Am 03. Juni erschien im Kölner Stadtanzeiger die öffentliche Bekanntmachung des Oberbürgermeisters, dass der Stadtentwicklungsausschuss im beschleunigten Verfahren einen neuen Bebauungsplanes für die Flurstücke 624 und 669 im Bereich Cäcilienstraße 32 aufstellen will. An die Stelle eines alten Parkhauses von 1967, das vielen Kölnern als „ARAL-Parkhaus“ bekannt ist, soll von der Westdeutschen Spielbanken GmbH ein Spielkasino errichtet werden.
Die Einrichtung eines „Sondergebiets für ‚Spielbank’“ an dieser Stelle geht auf einen Beschluss des Ausschusses vom 8. Mai zurück, den der Oberbürgermeister am 23. Mai, zwei Tage vor der Kommunalwahl, gezeichnet hat. Dem vorher ging ein Ratsbeschluss, gefallen in der Marathon-Sitzung am 8. April (51. Sitzung, Punkt: 23.17 „Verkauf Erbbaurechtsgrundstück Cäcilienstraße 32 in Köln-Altstadt-Nord“).
Der Plan: Sobald der neue Bebauungsplan aufgestellt ist, wird eine große Baufirma das Gelände erwerben, das Haus abreißen und die Spielbank an der Cäcilienstraße errichten. Den Hintergrund bildet eine Entscheidung des Landes Nordrhein-Westfalen aus dem März 2013, neben den bestehenden vier Kasinos in Aachen, Duisburg, Hohensyburg und in Bad Oeynhausen ein fünftes in Köln zu errichten.
Von der Spielbank Köln erhofft man sich umfangreiche Zusatz-Einnahmen für die öffentlichen Haushalte. Allerdings gibt es Anzeichen dafür, dass der Boom der frühen 2000er Jahre bei den Spielbanken vorbei ist. Die Einnahmen der NRW-Spielbanken sind nach Zeitungsberichten um grob gesagt Zwei Drittel (!) zurückgegangen – von 126 Millionen Euro 2003 auf 39 Millionen 2011.
Ein Schildbürgerstreich – die Spielbank im Bildungsquartier
Um Missverständnisse vorzubeugen: Es geht nicht darum, die Ansiedlung eines Spielkasinos in Köln grundsätzlich in Frage zu stellen. Doch kommt eine Spielbank an dieser Stelle, in unmittelbarer Nähe zur Volkshochschule und zur Stadtbücherei, einem Schildbürgerstreich gleich!
Warum? Ein Blick auf die Spielbanken in NRW erklärt das. Hohensyburg bei Dortmund ist das Kasino mit den höchsten Einnahmen. Es bezieht seine Attraktivität für Spieler vor allem aus ausgedehnten Poker-Turnieren, die dort veranstaltet werden. Poker – das ist dieses Spiel, das im Wilden Westen oder in abgeschiedenen Räumen um viel Geld gespielt wird und in einigen Hollywood-Filmen mit verführerischen Bildern als Vergnügen echter Outlaws verherrlicht wird. Vergegenwärtigt man sich dies, kann man – erstens – die Auffassung der SPD zu keiner Zeit teilen, der Neubau eines Kasinos an dieser Stelle führe zur „Attraktivierung der Innenstadt“ und deren „städtebaulicher Aufwertung“. Und auch der Ansicht des Innenministers von NRW Ralf Jäger (SPD) kann dann nur vehement widersprochen werden, eine Spielbank im Herzen von Köln diene „dem Jugend- und Spielerschutz“. Das jeweilige Gegenteil ist der Fall.
Die Stadt siedelt mit dem Spielkasino an der Cäcilienstraße ein weiteres Stück Event-Kultur mitten in der Stadt an. Das Signal: „Zeig mir dein Geld und du bist willkommen.“ Zudem öffnet ein Spielkasino an dieser Stelle ein weiteres Fass auf der Themenpalette „städtebaulicher Flickenteppich Köln: Konzept? Nein Danke!“. „Attraktiviert“ wird die Stadt dadurch allenfalls für jene, die über ausreichend Geld fürs kostspielige Amüsement verfügen, und ob ihrer Exklusivität gern übers Stückwerk hinwegsehen.
Schlimm ist auch der Schaden, den der Innenminister unbedacht anzurichten droht: Mit dem Kasino könne „dem Jugend- und Spielerschutz“ Rechnung getragen werden, sagt der Minister. Das Kasino soll Jugendliche vor Spielsucht schützen. Dann ist die Cäcilienstraße aber der ganz falsche Ort. Denn gerade hier sind wegen der Volkshochschule, der Stadtbücherei und dem Knotenpunkt für den öffentlichen Nahverkehr am Neumarkt täglich tausende von Schülern unterwegs. Eine gediegene Groß-Spielhölle an der Cäcilienstraße ist faktisch ein Schildbürgerstreich. Denn plakativer kann man die Aufforderung: S P I E L E ! gegenüber Kindern und Jugendlichen nicht verbreiten. Statt das Glücksspiel einzuhegen und Minderjährige von ihm abzuschirmen, wird es hier als vergleichbar seriös wie die Bildungs-Einrichtungen der Nachbarschaft sogar noch beworben. Es dürfte hier sonst doch nicht stehen, mag sich mancher Jugendliche denken.
Auch wenn die städtische SPD, die Landes-SPD und einige Mitglieder des städtischen Koalitionspartners, den Grünen, daran zweifeln: Der bestehende Bebauungsplan, der für die Cäcilienstraße Vergnügungsstätten ausschließt, hat seinen Sinn. Zocken in der Innenstadt, unmittelbar neben zentralen Bildungseinrichtungen – das hat keinen Sinn. Genau so wenig wie die städtebauliche Idee, im für alle prinzipiell zugänglichen Zentrum der Stadt ein Kasino zu installieren. Das Wort bedeutet seiner Herkunft nach „Geschlossene Gesellschaft“. Deren Prototyp ist Monte-Carlo als exklusiver Event-Ort nur für die, die es sich leisten können.
Ein fatales Signal für Minderjährige und für das städtische Gemeinwesen – und ein Plan, der ignoriert, dass sich hier, an der Cäcilienstraße und in deren näherer Umgebung, seit den 50er Jahren eine bedeutende Bildungs- und Kulturlandschaft angesiedelt hat.
Alternativen zum Kasino
Dass etwas an diesem Ort geschehen muss, scheint seit dem von der Kölner Wirtschaft in Auftrag gegebenen „Masterplan“ Konsens. Dieser schlug für diese Flurstücke die Ansiedlung eines Hotels vor. Doch davon gibt es schon viele in der Stadt. So könnte die Suche nach einer Alternative zum Zocker-Palast sich an der Frage orientieren, was es noch nicht gibt. Und was gibt es noch nicht? Vier Beispiele:
In Köln gibt es noch keine neuen Räume für die Museumsbibliothek (1) und keinen dauerhaften Sitz (2) der Akademie der Künste der Welt. In Deutschland gibt es noch keinen Ausstellungsort, der sich in erster Linie der Medienkunst widmet (3). Wohl aber gibt es in Köln eine Kunsthochschule, die diese lehrt. In Deutschland gibt es auch noch kein (4) Museum für Fotobücher, in Köln aber eine umtriebige Szene.
Damit wären für diesen Ort vier beispielhafte Alternativen aus dem Bereich der Kultur und der Bildung genannt. Für sie spricht vor allem: Sie widmen sich der Gegenwart und der Zukunft, sie orientieren sich an den Gegebenheiten vor Ort und sie sind kostengünstig in einem umgebauten Parkhaus statt in einem Neubau zu realisieren. Kurz, sie dienen ernsthaft der Entwicklung der Stadt.
Die Gegebenheiten vor Ort: Die Cäcilienstraße liegt fußläufig zu beinah all den größeren und kleineren Kultureinrichtungen der Stadt, denen Köln nach wie vor den Rang einer internationalen Kulturstadt verdankt – seien sie institutionell oder auch, wie etwas die lebendige Galerieszene, privat. Die Kunst- und Museumsbibliothek fügte sich hier sehr passend in die bestehende Bildungslandschaft ein; ähnlich die Akademie der Künste der Welt. Und ein großer Ausstellungsraum für mediale Künste wäre ein angemessener Nachfolger für die abgerissene und seither im kulturellen Leben der Stadt schmerzlich vermisste Josef-Haubrich-Halle, die nebenbei auch ein bedeutendes Konferenz- und Veranstaltungszentrum war.
Das Kasino orientiert sich an keiner dieser Gegebenheiten – es kann gerne woanders in der Stadt errichtet werden. Vielleicht in der Näher der Anleger der Kreuzfahrtschiffe, von denen es einen großer Teil seines Publikums beziehen wird.
Ein Ort der Zukunft: In Köln gibt es viele Einrichtungen, die auf lobenswert hohem Niveau der Vergangenheit gewidmet sind. Weitere sind geplant – und ebenso lobenswert. Doch durch die einseitige Ausrichtung auf die Vergangenheit droht Köln von einer Stadt mit Vergangenheit zu einer Stadt der Vergangenheit zu werden. Das ist die Event-Falle, für die auch das Kasino steht: Köln als konsumierbares abendländisches Freilichtmuseum mit Shoppinganschluss. Das freut die Tourismusbranche, doch ist das zu wenig für die städtische Entwicklung.
Das Parkhaus erhalten. Für ein Zentrum von internationaler Bedeutung
Ein Kasino brächte weniger Einnahmen, als erhofft, es verwüstete dafür einen zentralen Ort des Kölner Bildungs- und Kulturlebens, der bereits jetzt nicht richtig in Schuss ist. Hingegen kostete ein multifunktionales Haus für die Kultur, das den Schlusstein auf dieses Kulturquartier setzte und dessen einstige Ausrichtung auf die Zukunft (endlich) fortsetzte (hier wurde zum Beispiel die Art Cologne groß), nicht so viel, wie potentielle Skeptiker vielleicht behaupten möchten.
Denn das Parkhaus könnte erhalten und umgebaut werden. Ein Vorbild für den Umbau des Parkhauses in ein Kulturhaus internationalen Zuschnitts könnte das Kulturzentrum Wiels in Brüssel sein, dessen Erbauer ebenfalls die teilweise niedrigen Deckenhöhen zu bewältigen hatten. Der Umbau dieses ehemaligen Brauereigebäudes hat aus einer städtischen Brache einen Anlaufpunkt für die gesamte Stadtbevölkerung Brüssels gemacht. Ein Vorbild.
Mit dem Parkhaus als Kulturzentrum und dem Rautenstrauch-Joest und dem Schnütgen Museum bekäme Köln ein international einzigartiges Kultur-Quartier: Im Umkreis von fünf Fußminuten liegen das Haus der Kölner Architekten, die Kunststation St. Peter, das belgische Haus, das Käthe Kollwitz Museum, das Literaturhaus und der Kunstverein. Fußläufig liegen außerdem Theater und Oper, das Kolumba-Museum und viele bedeutende und spannende Galerien.
Außerdem bietet das Parkhaus jede Menge Platz. In ihm könnten im Wechsel hohe und niedrige Räume mit angepassten Nutzungen untergebracht werden. Es könnte aufgestockt und mit erneuerbaren Energien betrieben werden. Es könnte großzügig mit einem Zebrastreifen mit den gegenüberliegenden Institutionen verbunden werden, es könnte die Schneise überbrücken, die die Ost-West-Strecke durch die Stadt schlägt. Inhaltlich könnte das neue Haus ein Ort für die freie, experimentelle Nutzung werden. Hier könnten sich zum Beispiel die Galerieszene, freie Künstler- und Kulturgruppen, Universitäten, die Kölner Architekten und viele andere mehr der Öffentlichkeit zentral präsentieren. Die Akademie der Künste der Welt und die Kunst- und Museumsbibliothek fänden hier einen optimalen Ort. Platz gibt es an der Cäcilienstraße für alle.
An diesem Ort kein Kasino! Sondern ein internationales Signal!
Eine Spielbank an der Cäcilienstraße, die dem „Jugend- und Spielerschutz“ dienen soll, ist ein purer Schildbürgerstreich, ein Wolf im Schafsgehege. Die Umwidmung des Parkhauses von 1967 in ein Kulturzentrum ist zwar nur ein Alternativvorschlag, nur eine Idee unter vielen.
Doch könnte die Stadt Köln durch sie mit einem Streich kostengünstig mehr als eine handvoll Probleme aus dem kulturellen Bereich lösen und zugleich das Stadt-Zentrum rund um den Neumarkt nachhaltig attraktiv gestalten. Das neue Haus könnte Raum für Bildungs-, Kultur-, Kunst,- Musik-, Film-, Vortrags-, Literatur- und Theaterveranstaltungen bieten, kurz, es könnte ein Raum für interdisziplinäre Kulturbegegnungen sein. Manche nennen das in Abgrenzung zur Event-Kultur einfach „Pop“. Und was wäre das für ein Signal! Es wäre international zu vernehmen, dass Köln wieder mitspielen will in der Liga der weltweit bedeutenden Städte.
Diese Umwidmung eines alten, von Denkmalschützern auch längst entdeckten Parkhauses ist jetzt möglich: Die Erbpacht für die Flurstücke Cäcilienstraße 32 läuft aus, das Gelände gelangt zurück in den Besitz der Stadt. Diese Chance, preiswert ein absolut zentrales Kulturzentrum von internationalem Rang zu schaffen, besteht jetzt.
Der Autor Christoph Löhr hat zum selben Thema auch einen hörenswerten Radiobeitrag gemacht:
Veröffentlicht von: Studio ECK e. V. – Förderverein zur Verwirklichung des Lokalen Bürgerfunks im Bereich des Evangelischen Kirchenverbands Köln und Region
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